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| Inhabergeführte Fachgeschäfte leiden unter der harten Konkurrenz der Filialisten, die in Branchen wie der abgebildeten auch in Stadtteilzentren überdurchschnittlich stark vertreten sind.[67] |
Diese traditionelle Handelsform gerät durch verschiedene Entwicklungen im Einzelhandel unter immer größeren Druck. Zu geringe Geschäftsgrößen, das Fehlen baulicher Erweiterungsmöglichkeiten, mangelnde Innovationsbereitschaft[69], Festhalten an traditionalistischen Vorstellungen, Überalterung oder Abwanderung der Stammkundschaft, veränderte Konsumgewohnheiten, hohe Mietbelastung[70], Preisnachteile beim Großhandel[71] und mangelnde Professionalität des Standortmarketings tragen hierzu bei. Die Verdrängung von Fachgeschäften durch rentabler arbeitende Filialisten auch in gewachsenen Subzentren ist der Attraktivität und Individualität dieser Zentren meist wenig zuträglich.
Die meisten heutigen Stadtteilzentren entstanden entweder aus ehemaligen Dorf- oder Kleinstadtkernen oder im Zuge der Expansion europäischer Großstädte um 1900. Sie sind gekennzeichnet durch organisch gewachsene, nicht zentral oder nicht nach heutigen Maßstäben geplante Baustrukturen. Was einerseits eine städtebauliche Qualität der innerstädtischen Subzentren darstellt, ist andererseits also ein Entwicklungshemmnis.
In Subzentren, die aus gewachsenen Dorf- oder Stadtkernen hervorgingen, ist die Straßen- und Grundstücksstruktur durch unregelmäßige, kleinteilige Einheiten gekennzeichnet. Altstadtstrukturen und -fassaden sowie die Regeln des Denkmalschutzes geben dem Stadtteilzentrum einen unverwechselbaren Charakter, schränken jedoch die praktische und kommerzielle Nutz- und Verwertbarkeit der Gebäude ein.
Entstand ein Subzentrum im Zuge der Stadterweiterung der Gründerzeit, sind die Straßenachsen geradliniger und die Grundstücke großzügiger. Der Stadtentwurf des späten 19. Jahrhunderts ist bis heute in vielen Fällen flexibel nutzbar. Die hohe Baudichte erlaubt eine hohe Nutzungsintensität auf kleinem Raum. Die im Allgemeinen begrenzte Flächenverfügbarkeit macht jedoch die Erweiterung von Geschäftsflächen sehr schwierig, was angesichts des Trends zu größeren Betriebsformen ein Entwicklungshindernis darstellt.[72] Auch die verkehrliche Erschließung ist nur schwer an die Wünsche der autofahrenden Kundschaft anzupassen.
Läden mit geringer Verkaufsfläche ohne bauliche Erweiterungsmöglichkeit sind in Stadtteilen und gewachsenen Subzentren häufig vertreten. Wird die zur Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit erforderliche Mindestbetriebsgröße nicht erreicht, können sie sich gegen großflächige Filialbetriebe kaum behaupten.[75] Die Ansiedlung größerer "Magnetbetriebe" zur Stabilisierung des Einkaufsstandorts ist ebenfalls nur bei verfügbaren Freiflächen möglich.[76] Auch in der Attraktivität des Erscheinungsbilds können Subzentren weder mit den Cities noch mit den synthetischen Welten der Einkaufszentren messen.[77]
Die Bereitschaft wächst, für ein größeres Warenangebot als das in der lokalen Einkaufsstraße gebotene längere Wege in Kauf zu nehmen. Anstatt zur Einkaufsstraße im Bezirkszentrum fahren immer mehr Kunden direkt in die Innenstadt oder in eines der Einkaufszentren am Stadtrand. Gründe hierfür sind einerseits die verbesserten Verkehrsnetze, andererseits auch die schwächer werdenden beruflichen und sozialen Bindungen an den Heimatbezirk.[78]
Eine wichtige Ursache des veränderten Einkaufsverhaltens stellt die immer noch anhaltende Veränderung in der Verkehrsmittelwahl hin zum Auto dar. Die städtischen Subzentren sind meist gut mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossen, fast alle haben U-Bahn-/S-Bahn-Anschluß und sind Knotenpunkte im Straßenbahn- oder Stadtbusnetz. Durch die i.A. sehr dichte Bebauung leben viele potentielle Einkäufer in fußläufiger Entfernung, Bewohner von Nachbarstadtteilen können oft mit dem Fahrrad anreisen. Für Autofahrer stehen jedoch meistens nur in sehr begrenzter Anzahl Parkplätze zur Verfügung, fast überall mit Kosten (Parkschein) verbunden.[79] Nur sehr selten gibt es (ebenfalls meist gebührenpflichtige) Parkhäuser. Verkehrsstaus und komplizierte Verkehrsführungen erschweren die An- und Abreise mit dem Auto.
Die Innenstädte dagegen bieten ebenfalls eine perfekte ÖV-Anbindung mit umsteigefreien Schnellbahnanbindungen in die ganze Stadtregion,[80][81] sind aber auch, dank vieler Parkhäuser, für den Autofahrer leicht erreichbar. Parkgebühren werden hier, im Herz der Stadt, viel eher hingenommen als in der kleineren Geschäftsstraße im eigenen Stadtbezirk.
Einkaufszentren am Stadtrand erfüllen schließlich alle Wünsche des motorisierten Bevölkerungsteils mit reichlich vorhandenen, fast immer kostenlos benutzbaren Parkmöglichkeiten und der Lage an Schnellstraßen oder Stadtautobahnen. Je mehr Kunden zum Einkauf das Auto benutzen, desto mehr wird der Handel durch großflächige, periphere Standorte aus den "gewachsenen und urbanen Teilen der Stadt herausgelöst".[82]
Die Orientierung auf den autofahrenden Teil der Kundschaft wird vor allem von den Investoren vorgebracht, jedoch mit dem Hinweis auf angebliche Kundenwünsche.[83] Ob der Bau neuer Einzelhandelsobjekte hier tatsächlich den Wünschen der Kundenmehrheit folgt oder die Kunden nur die von den Investoren gesetzten Trends nachvollziehen, kann hier jedoch nicht beurteilt werden.
Die Bedeutung der suburbanen Bereichs gegenüber den alten Kernstädten wächst seit den 60er Jahren ständig an.[84] Der Einzelhandel sowie andere Branchen des Dienstleistungssektors folgen der Bevölkerung, die aus den Städten in die Vorortbereiche zieht.[85] In früheren Dörfern, die inzwischen zu selbstbewußten Kleinstädten mit überdurchschnittlich wohlhabender und gebildeter Bevölkerung herangewachsen sind, entstehen außer nichtintegrierten Einkaufszentren auch eigene, lokale Einkaufstraßen für den spezifischen Bedarf der bürgerlichen Vorortbevölkerung, der sich von dem der in den alten Subzentren verbliebenen Restbevölkerung und dem der dorthin neu zugezogenen unterscheidet.
Außer Einkaufsmöglichkeiten entstehen auch weitere zentrale Einrichtungen wie Schulen und Gymnasien, Krankenhäuser, Facharztpraxen sowie kulturelle Angebote. Das Einzugsgebiet dieser neu entstehenden Zentralfunktionen ist kleiner als das der gleichen bisherigen Funktionen im alten Subzentrum, allerdings entwickeln sich die neuen Zentren auf Kosten der Bedeutung des bisherigen Subzentrums.
Ebenfalls unter diesem Gesichtspunkt muß die Suburbanisierung von Arbeitsplätzen des tertiären Sektors betrachtet werden. Backoffice-Bereiche großer Unternehmen, teilweise selbst Konzernzentralen, etwa in der Mobilfunkbranche, nehmen ihren Sitz an verkehrsgünstigen Standorten außerhalb der Cities. Hier entstehen jedoch keine kompletten vorstädtischen Subzentren im Sinne der Begriffsdefinition dieser Arbeit, sondern spezialisierte Standorte mit teilweise sehr hohen Zentralitätsstufen. Ihr Bedeutungszuwachs erfolgt eher auf Kosten der City als der traditionellen großstädtischen Subzentren.
Eine Einkaufsstraße in einer Innenstadt oder einem Stadtteilzentrum ist eine An-sammlung von Geschäften im öffentlichen Raum. Jeder hat das Recht, sich zu jeder Zeit, auch nach Ladenschluß, in ihr aufzuhalten. Durch ihren meist traditionellen Standort ist sie im Bewußtsein der Allgemeinheit verankert, gilt als Mittelpunkt der Stadt oder des Stadtteils. Der demokratisch legitimierten Stadtregierung nachgeord-nete Einrichtungen sind für ihre Gestaltung (Stadtplanungsamt, Baubehörde) und Pflege (Ordnungsamt, Stadtreinigung) verantwortlich. Die Geschäftshäuser der Straße gehören verschiedenen Eigentümern, die zum Teil alteingesessene Mitglieder der Stadtgesellschaft sind. Eine öffentliche Einkaufsstraße ist ein Ort, der sowohl rechtlich als auch im öffentlichen Bewußtsein der Allgemeinheit gehört, oder, um diesen Begriff zu benutzen: Volkseigentum.
Ein geschlossenes Einkaufszentrum gehört einem einzelnen Betreiber. Nicht nur die Ladenlokale, sondern auch die Fußgänger-Mall, die Anlieferungsbereiche und die Parkplätze befinden sich auf privatem Grundeigentum. Der Eigentümer übt Hausrecht aus und kann bestimmten Personengruppen (z.B. Bettlern, Obdachlosen) den Zutritt verwehren oder bestimmte Tätigkeiten (z.B. Rauchen, musizieren) verbieten. Der Betreiber allein entscheidet, welche Geschäfte im Zentrum angesiedelt werden und welche nicht. Die meisten Einkaufszentren werden nach Geschäftsschluß oder über Nacht verschlossen. Trotz der zahlreichen Besucher und der Bedeutung im Bewußtsein der Öffentlichkeit ist ein Einkaufszentrum zweifellos Privateigentum.
Paradoxerweise profitieren aber die auf monopolistischem Privateigentum gegründeten Einkaufszentren von den Vorteilen zentraler Planung, während die öffentlichen Einkaufstraßen an den Hemmnissen der Konkurrenzwirtschaft leiden.
Die zentrale Planung eines Einkaufszentrums durch den Betreiber (Centermanagement) sorgt für einen ausgewogenen Branchenmix.[86] Alle wichtigen oder erwünschten Sparten werden abgedeckt, direkte Konkurrenten räumlich im Zentrum verteilt. Große Magnetbetriebe, die Kunden für das ganze Zentrum anziehen, aber ihrerseits nur geringe Gewinnspannen erzielen (etwa große Supermärkte), können mit besonders günstigen Mieten gelockt werden, die durch die übrigen Läden wieder hereingeholt werden (Quersubventionierung). Alle Geschäfte haben einheitliche, vom Betreiber vorgegebene Öffnungszeiten. Auch kundenanziehende Veranstaltungen werden zentral vom Betreiber organisiert.
In einer Einkaufstraße kämpft jeder Gewerbetreibende und jeder Hauseigentümer zunächst für sich allein. Es gibt keine koordinierte Standortplanung. Jeder Hauseigentümer bevorzugt ertragsstarke Mieter, wodurch es oft zu Ansammlungen der immergleichen Branchen kommt. So sind etwa Optik-Filialisten, Bäckereiketten und Banken in vielen Einkaufsstraßen überrepräsentiert,[87] während spezialisierte Fachgeschäfte fehlen.[88] Das Eigeninteresse und Profitmaximierungsdenken der Hauseigentümer geht vor dem Gemeinschaftsinteresse. Die mittelständischen Gewerbetreibenden sind in vielen Fällen zu Einzelhändlerverbänden zusammengeschlossen, deren oft mangelnde Einigkeit und Professionalität jedoch kein mit dem der Einkaufszentren vergleichbares Standortmarketing ermöglicht.
67 Foto: Verf. 2001. [zurück]
68 Steinbach 2000, Seite 28, nach Tietz, Einzelhandelsperspektiven für die Bundesrepublik Deutschland bis zum Jahre 2010, Frankfurt 1992. [zurück]
69 Pütz 2000, Seite 20. [zurück]
70 Friedrich-Ebert-Stiftung 1999, Seite 34. [zurück]
71 Steinbach 2000, Seite 27. [zurück]
72 Friedrich-Ebert-Stiftung 1999, Seite 31; Grotz/Waldhausen-Apfelbaum 2000, Seite 101. [zurück]
73 Karte: Rhein-Ruhr-Stadtatlas. [zurück]
74 Karte: Falk Extra Stadtplan Brüssel. [zurück]
75 Pütz 2000, Seite 20. [zurück]
76 Pütz 2000, Seite 25. [zurück]
77 Steinbach 2000, Seite 32. [zurück]
78 Steinbach 2000, Seite 32. [zurück]
79 Pütz 2000, Seite 23; Grotz/Waldhausen-Apfelbaum 2000, Seite 101. [zurück]
80 Steinbach 2000, Seite 32. [zurück]
81 So haben die großen Kaufhäuser auf der Frankfurter Zeil eigene unterirdische Zugänge zu den großen U-Bahn-/S-Bahnhöfen Hauptwache und Konstablerwache. [zurück]
82 Friedrich-Ebert-Stiftung 1999, Seite 32. [zurück]
83 Friedrich-Ebert-Stiftung 1999, Seite 15. [zurück]
84 Hartwig 2000, Seite 28. [zurück]
85 Steinbach 2000, Seite 31. [zurück]
86 Friedrich-Ebert-Stiftung 1999, Seite 30. [zurück]
87 vgl. die Analyse der Branchenstruktur von Einkaufsstraßen in Frankfurt-Höchst sowie des benachbarten Einkaufszentrums ab Seite 39. [zurück]
88 Frankfurter Rundschau vom 18.11.1998. [zurück]
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