1.2. Metropole zwischen Region, Staat und Außenwelt [ Seitenanfang ]

Die europäischen Großstädte stehen von zwei Seiten her unter Druck: Während sie auf der überregionalen Ebene ihre Stellung im nationalen oder kontinentalen Städtesystem halten oder ausbauen möchten, haben sie es vor Ort mit den Eigeninteressen der Umlandgemeinden zu tun. Als drittes „Gegenüber“ kommt die staatliche Ebene hinzu, die für die Metropole Förderer, aber auch Rivale sein kann.

1.2.1. Ein ungenauer Begriff: was ist eigentlich eine Region? [ Seitenanfang ]

Der Begriff „Region“ wird von der Naturgeografie bis hin zur Geopolitik in verschiedensten Zusammenhängen gebraucht. In dieser Arbeit bezeichnet er die Umgebung einer Großstadt — aber auch hier bleibt noch die Frage nach der Großzügigkeit der Abgrenzung. Zu unterscheiden sind mindestens zwei Ebenen, die als "Region" bezeichnet werden, die Stadtregion, also die Kernstadt und ihr Vorortbereich, sowie die Großregion, die den gesamten Verflechtungsbereich eines Ballungsraums abdeckt.

Eine Stadtregion, besteht aus einer oder mehreren Kernstädten und ihren unmittelbaren Vororten (suburbaner Bereich). Die Gemeinden der Stadtregion sind durch starke wechselseitige funktionale und bauliche Verflechtung sowie hohe Bevölkerungs- und Arbeitsplatzdichten gekennzeichnet und durch ein oft hoch belastetes Verkehrsnetz miteinander verknüpft.

In manchen Ländern sind Teile der Stadtregionen den Kernstädten durch Eingemeindungen politisch angegliedert worden, in anderen nicht oder in nur sehr geringem Umfang. Für die Bürger ist es meist irrelevant, wo eine Stadtgrenze verläuft, da die Stadtregion als Einheit wahrgenommen wird. Politisch und administrativ ist die Zugehörigkeit zu Verwaltungseinheiten und deren Abgrenzung dagegen von großer Bedeutung. Hier beginnen die Konflikte, die Thema dieser Arbeit sind.

In der Bundesrepublik sind diese Konflikte aufgrund der traditionell sehr starken und sogar in der Verfassung verankerten kommunalen Selbstverwaltung besonders massiv. Bürgermeister werden nicht ernannt, sondern direkt oder indirekt gewählt. Die Gemeinden haben weitreichende Kompetenzen bis hin zur Erhebung eigener Steuern.

In vielen anderen Ländern wird der Begriff „Stadt“ synonym mit „Stadtregion“ benutzt, solange nicht ausdrücklich die Administration der Kernstadt gemeint ist. Werden zum Beispiel Einwohnerzahlen französischer Städte genannt, sind darin im Allgemeinen die Vororte dazugerechnet. Bei deutschen Städten nennt man dagegen fast immer nur die Einwohnerzahl der Kernstadt in ihren politischen Grenzen. Auch der Begriff „Stadt“ ist also nicht eindeutig, er kann im geografischen oder verengt im administrativen Sinn benutzt werden.

Die Großregion umfasst ein wesentlich größeres Gebiet als die Stadtregion. Sie schließt auch dünnbesiedelte ländliche Räume (das „Hinterland“) mit ein, sofern sie auf bestimmte Weise mit der Stadtregion verflochten sind. Die Abgrenzung fällt noch schwerer als die für den unmittelbaren Vorortbereich, weil verschiedene Verflechtungskriterien verschiedene räumliche Wirkungsbereiche haben können.

Das wichtigste dieser Verflechtungsmerkmale sind die Pendlerbeziehungen der Berufstätigen. Durch hohe Mietpreise in den Kernstädten, Mangel an bezahlbarem Bauland im suburbanen Bereich, niedrigen Transportkosten, dem Wunsch nach großer Wohnfläche oder einer emotionalen Bindung an die ländliche Heimatregion nehmen viele im Ballungsraum Beschäftigte lange Anfahrtswege zur Arbeit in Kauf.

Weitere Kriterien sind wirtschaftliche Verflechtungen, der Freizeit- und Ausflugsverkehr oder infrastrukturelle Beziehungen (Trinkwassergewinnung, Abfallentsorgung). Wichtig ist außerdem die Nutzung zentraler Einrichtungen des nichtperiodischen Bedarfs durch die Regionsbewohner, etwa zur gelegentlichen Nutzung der Shopping- und Ausgehmöglichkeiten, zum Theater-, Ausstellungs- oder Museumsbesuch, zur Nutzung des städtischen Flughafens für die Urlaubsreise oder zum Heimspiel des auch in der weiteren Region verehrten Fußballvereins.

Die Gemeinden der Großregion werden nicht als Teil der Großstadt wahrgenommen: man lebt „auf dem Land“. Die Annehmlichkeiten der nicht sichtbaren, aber schnell erreichbaren Großstadt werden geschätzt, führen aber meist nicht zu einem regionalen Bewusstsein.

1.2.2. Die Region: Partner oder Gegner? [ Seitenanfang ]

Die Region ist der direkte Nachbar der Metropole. Im Idealfall ist die Region der engste Verbündete der Kernstadt, und die Kernstadt begreift sich als integraler Bestandteil der Region. Häufiger ist jedoch der Konfliktfall, der durch gegenseitiges Misstrauen, Rivalität, kurzsichtige Lokalegoismen und politische Blockade gekennzeichnet ist. Energie und Potentiale, die Stadt und Region im Wettbewerb mit anderen Regionen bräuchten, werden damit unnötigerweise bereits „zuhause“ verbraucht.

Suburbanisierung, Segregation und die finanziellen Folgen  [ Seitenanfang ]

Das Entstehen der Stadtregionen im heutigen Sinne ist Folge der Suburbanisierung im 20. Jahrhundert. Diese ist auch die Ursache für die auffälligsten Probleme in Großstadtregionen.

Durch die sozialräumliche Segregation innerhalb von Großstadtregionen siedeln sich die wohlhabenden Bevölkerungsschichten tendenziell eher in den Vorortgemeinden an, während die schlechter gestellten im Zentrum zurückbleiben. Dadurch, dass Sozialhilfekosten von der jeweiligen Wohngemeinde getragen werden, entstehen Städten mit einem hohen Anteil an Hilfeempfängern, also vor allem den Kernstädten, hohe Ausgaben in diesem Bereich.

Neben höheren Ausgaben bedeutet Segregation für die Kernstädte auch geringere Einnahmen. Die Gemeinden sind mit 15% am Lohn- und Einkommensteueraufkommen beteiligt. Am kommunalen Steueraufkommen hat die Lohn- und Einkommensteuer einen Anteil von 44%, an den kommunalen Gesamteinnahmen einen Anteil von 14%. Die Gemeinden erleiden also deutliche Steuerverluste, wenn steuerzahlende Einwohner die Gemeinde verlassen. Umgekehrt profitieren die Vororte ebenfalls doppelt von ihrer Lage: durch die Abschöpfung des besonders zahlungskräftigen Teils der Stadtbevölkerung erzielen sie sehr hohe Einnahmen, durch die Inanspruchnahme von Einrichtungen der Kernstadt haben sie geringere Ausgaben als etwa Landkreise, die außerhalb von Ballungsräumen liegen.

Schicksalsgemeinschaft Stadtregion: die wechselseitige Abhängigkeit  [ Seitenanfang ]

Kernstadt und Vororte brauchen einander. Das Zentrum wäre ohne das Umland  nicht lebensfähig, dieses verdankt der Kernstadt überhaupt erst seine Existenz. Beide Seiten tragen für die Gesamtregion Lasten, die von der anderen Seite im allgemeinen ohne Kostenbeteiligung in Anspruch genommen werden.

Die Kernstadt ist Identitäts- und Identifikationsträger der Gesamtregion. Sie ist mit Hauptbahnhof und Flughafen Verkehrsknoten der Region und trägt ein meist defizitäres öffentliches Verkehrsnetz, Stadtautobahnen und andere Straßenachsen einschließlich der dadurch entstehenden Belastungen. Ihre kulturellen und Freizeiteinrichtungen werden von allen genutzt, aber nur von ihr bezahlt. Dasselbe gilt für die zentralen Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens. Aufgrund der Konzentration des ganzen Spektrums von Segregationsverlierern trägt sie deutlich höhere Soziallasten als das Umland. Teilweise werden sogar Leistungen der technischen Infrastruktur in der Kernstadt geleistet.

Der suburbane Bereich engagiert sich ebenfalls im Bereich der Ver- und Entsorgung. Das Umland stellt den Stadtbewohnern Erholungsflächen und Ausflugsziele zur Verfügung und trägt die damit zusammenhängende Verkehrsbelastung.

Zu den genannten, von einer Seite für die Gesamtregion getragenen Lasten kommen noch die Aufgaben, die nur gemeinsam sinnvoll gelöst werden können. Dazu gehören der ÖPNV auf regionaler Ebene, die Abfall- und Wasserwirtschaft, Freiraumsicherung, Naherholung, Naturschutz sowie regionale Wirtschaftsförderung und Standortmarketing.

Stellt man die Belastungen beider Seiten einander gegenüber, wird deutlich, dass die Leistungen der Kernstadt jene des Umlandes überwiegen. Der oft geforderte innerregionale Lastenausgleich zugunsten der Kernstädte scheint also berechtigt zu sein. Über Einrichtungen, deren Kosten von den Vorortgemeinden mitgetragen werden, müssen diese aber auch mitbestimmen können. Die Formel für ein verantwortliches gesamtregionales Handeln lautet also: Geld gegen Mitsprache.

Das Wohlergehen der Region ist wesentlich von der Leistungsfähigkeit der Kernstadt abhängig. Deren Schicksal bestimmt damit auch das ihrer Umlandgemeinden. Vom Niedergang der ganzen Stadtregion wäre auch eine gesunde Gemeinde betroffen.

Regionalbewusstsein oder Kirchturmpolitik?  [ Seitenanfang ]

Die Erkenntnis dieser Schicksalsgemeinschaft sollte zur Entwicklung einer Solidargemeinschaft führen: regional bedeutsame Einrichtungen müssen gemeinsam finanziert und gesteuert werden, extreme Unterschiede der Belastung durch soziale Probleme ausgeglichen werden. Während Bevölkerung und vor allem die Wirtschaft schon lange in regionalen Bezügen denken, ist diese Erkenntnis bei den politisch Verantwortlichen der Landkreise und Umlandgemeinden nur selten vorhanden. Deutlich häufiger ist ein Handeln nach dem „Leitbild der lokalen Optimierung“, eine vornehme Beschreibung eines parasitären Verhaltens, das gemeinhin als „Kirchturmpolitik“ bezeichnet wird.

Diese Art des Handelns folgt der Fragestellung: „Wie kann ich hier und jetzt für meine Gemeinde einen kurzfristigen Erfolg erzielen?“. Ein Denken in Zusammenhängen findet dabei nicht statt; die Frage, wer für diesen Erfolg bezahlen muss, wird sogar dann noch ignoriert, wenn über eine Schwächung der Gesamtregion der Schaden auf die eigene Gemeinde selbst zurückfällt. Solange, isoliert betrachtet, die lokale Bilanz positiv ausfällt, verweigert man sich erbittert jedem Ansatz zur gemeinsamen Verantwortungsübernahme. Bildlich gesprochen möchte man die Kuh melken, ohne sie füttern zu müssen.

Zum Zuge kommt dieses „Leitbild“ vor allem bei der Gewerbeansiedlung. Durch die günstigen Gewerbesteuerhebesätze in Vorortgemeinden werden Unternehmen aus den Kernstädten abgeworben, wodurch den Zentren wichtige Einnahmen entgehen. Diese, oder auch andere Umlandgemeinden, versuchen dem mit ebenfalls niedrigeren Steuersätzen zu begegnen. Ähnlich wie beim Wettbewerb der Nationen um immer niedrigere Sozial- und Umweltstandards führt dieses Steuer-Dumping zur finanziellen Auszehrung der Gesamtregion im Allgemeinen und der Kernstadt im Besonderen, was wiederum die Region als Ganzes zusätzlich schwächt.

1.2.3. Nationale und internationale Konkurrenz [ Seitenanfang ]

Keine neue Erscheinung  [ Seitenanfang ]

Großstädte standen schon immer in Konkurrenz zueinander. Vom Handel miteinander profitierten alle Beteiligten, und zu bestimmten Zeiten arbeiteten die Städte politisch gegen gemeinsame Gegner — früher gegen Fürsten und Bischöfe, heute gegen Steuerreformen zu Lasten der Kommunalhaushalte. Doch meist war der Schaden der einen Metropole der Gewinn einer anderen, und selten zögerte eine Stadt, einer Konkurrentin eine zentrale Einrichtung abzuwerben. So gelang es schon im neunten Jahrhundert den Bremern, das für ganz Nordeuropa zuständige Erzbistum von Hamburg in ihre Stadt umzusiedeln, was dieser für lange Zeit eine mächtige Stellung sicherte. Das Versanden des Hafens der größten europäischen Handelsstadt Brügge ermöglichte den Aufstieg des nahe gelegenen Antwerpen, der Untergang Konstantinopels 1453 und die Entdeckung Amerikas waren das Ende des stolzen Venedig und die große Chance für die Hafenstädte an der europäischen Westküste wie Lissabon oder Amsterdam. Der militärische Sieg Preußens über Österreich und Süddeutschland 1866 ebnete Berlin erst den Weg, Hauptstadt und Metropole des neuen deutschen Reichs zu werden. Die Teilung Deutschlands nach 1945 bedeutete das Ende Berlins als Weltstadt, seine zentralen Funktionen gingen an die neuen Metropolen der jungen Bundesrepublik, an München, Frankfurt, Hamburg sowie ins Rheinland. Das wiedervereinigte Berlin zieht heute vor allem in den Bereichen Kultur und Politik zahlreiche wichtige Einrichtungen aus anderen Städten an sich.

Die Konkurrenz der Metropolen ist also keine neue Erscheinung, nicht einmal in einem kontinentalen Maßstab betrachtet. Die besseren Verkehrs- und Kommunikationswege, die Globalisierungstendenzen der Wirtschaft sowie der europäische Einigungsprozess führen aber seit den 80er Jahren zu einer gewissen Maßstabsvergrößerung, die die traditionelle Konkurrenz verschärft. Zentrale Einrichtungen von bisher nationaler Bedeutung steigen entweder zu kontinentaler Funktion auf, wenn sie die Mitbewerber verdrängen, oder sinken zur eher regionaler Bedeutung herab. Die Zahl der international bedeutenden Konzerne, Flughäfen oder Wertpapierbörsen sinkt, die verbleibenden akkumulieren jedoch immer größeren Einfluss. Die Konkurrenz der Metropolen geht um die Ansiedlung dieser weniger werdenden wirklichen Entscheidungszentren.

Die Konkurrenz der Großstädte ist in Wirklichkeit eine Konkurrenz der Großstadtregionen. Die metropolrelevanten wirtschaftlichen, kulturellen und Verkehrsaktivitäten finden nicht nur in den Kernstädten, sondern auch in den Regionen statt. Die Kernstadt steht jedoch mit ihrem Namen und dem Wiedererkennungseffekt städtischer Symbole in vorderster Front. Die Region profitiert von den internationalen Erfolgen der Kernstadt, ohne aber selbst wahrgenommen zu werden.

Die Regionen schwächen sich selbst  [ Seitenanfang ]

Die Vielfalt einer Stadtregion kann eine Stärke sein, wenn sie in den Dienst eines gemeinsamen Ziels gestellt wird. Auch ein gewisser Wettbewerb zwischen den Regionsgemeinden fördert deren Bestreben, für Bürger und Unternehmen attraktiv zu sein.

Wenn dieser konstruktive Wettbewerb jedoch in bösartige Rivalität ausartet, diese mehr Aufmerksamkeit einnimmt als die Konkurrenz mit der Außenwelt, werden Potentiale und Ressourcen gebunden, die an wichtigerer Stellen fehlen. Wenn Regionsgemeinden oder gar die Kernstadt durch einen regionsinternen „Kannibalismus“  geschädigt werden, leidet die Gesamtregion, auch in ihrer Stellung im nationalen und internationalen Wettbewerb.

1.2.4. Die staatliche Ebene: Schiedsrichter im Regionalkonflikt? [ Seitenanfang ]

Stadt und Land  [ Seitenanfang ]

Das Verhältnis zwischen Großstädten und den Staaten, denen sie angehören, ist in den meisten Fällen recht kompliziert. Gründe hierfür sind:

„Gleichwertige Lebensverhältnisse“? Die Sorgen der „Provinz“  [ Seitenanfang ]

Die Landesplanung möchte die Entwicklung der Ballungsräume oft eingrenzen, um „gleichwertige Lebensverhältnisse“ zu den ländlichen Gebietsteilen zu erhalten. Eine „Abkoppelung“ der strukturschwachen Räume von der Gesamtentwicklung wird befürchtet.

Tatsächlich aber profitieren ländliche Räume vom Vorhandensein einer Großstadtregion in erreichbarer Nähe. Dies gilt selbst für Regionen, in denen aufgrund ihrer großen Entfernung zum Ballungsraum dieser nicht mehr als Arbeitsmarkt für Tagespendler in Frage kommt:

Die nachteiligen Auswirkungen der Metropole auf einen ländlichen Raum wiegen die Vorteile nicht auf oder sind deren direkte Folgen. Hierzu zählen etwa ein starker Ausflugsverkehr an Wochenenden, Landschaftszerschneidung durch Verkehrstrassen oder übermäßige Beanspruchung etwa durch Trinkwassergewinnung.

Metropolen als Motoren der Landesentwicklung  [ Seitenanfang ]

Mit einer Schwächung der Metropole ist der "Provinz" demnach nicht gedient. Davon profitieren würde nämlich nicht der benachbarte ländliche Raum, sondern eine andere Metropole. Der Ballungsraum konkurriert also nicht mit den strukturschwachen Regionen desselben Bundeslands, sondern mit anderen Ballungsräumen. Ein starker Metropolraum ist vielmehr ein Entwicklungsmotor für das ganze Land und dient auch den wirtschaftlichen Interessen strukturschwacher Räume.

Administrative Zersplitterung  [ Seitenanfang ]

Großstadtregionen sind Räume, die sozialgeografisch, wirtschaftlich, naturräumlich und funktional eine Einheit darstellen. Die Abgrenzungen der Gebietskörperschaften orientieren sich aber nicht an der Realität dieser Zusammenhänge. Sie sind Folge von mehreren Jahrhunderten politischer und dynastischer Machtkämpfe, Willkür und Zufällen.

Der heute in der Bundesrepublik übliche Verwaltungsaufbau aus Ländern, Regierungsbezirken, Landkreisen und Gemeinden basiert auf den Stein-Hardenbergschen Staatsreformen in Preußen 1808. Was vor 200 Jahren ein mutiger Schritt war, ist heute durch Industrialisierung, Deindustrialisierung, Suburbanisierung und interregionaler Bedeutungs- und Bevölkerungsverschiebungen ein weitgehend inhaltsleerer Rahmen geworden, der an den Realitäten derjenigen, denen er dienen soll, vorbeigeht.

Dies geschieht einerseits durch die oft unzweckmäßige, teilweise sogar schädliche Grenzziehung, andererseits durch die unklare Kompetenzverteilung zwischen den vorhandenen Ebenen. Manche Aufgaben werden von verschiedenen Ebenen sogar parallel getragen, was aufgrund von Rivalität und Doppelarbeit selten befriedigende Ergebnisse bringt.

Die Selbstverwaltung der Gemeinden ist im Bewusstsein der Bürger stark verankert, die Identifikation mit der Wohngemeinde im Allgemeinen groß. Auch die Ebene „Bundesland“ ist in der Wahrnehmung gut verwurzelt, vor allem dann, wenn die Ländergrenzen landsmannschaftliche Zusammenhänge berücksichtigen, was jedoch vor allem im Westen der Republik oft nicht der Fall ist.

Die Ebenen dazwischen, also Landkreise und Regierungsbezirke, sind dagegen schwach profiliert. Landkreise bilden nur in wenigen Fällen gewachsene Kulturregionen ab, die Bindung der Bürger an ihre Kreise ist im Allgemeinen gering. Die einzige wirkliche Identifikation mit der Einheit Landkreis erfolgt über das Kfz-Kennzeichen. Durch die Abgabe von Aufgaben an Zweckverbände und Eigenbetriebe sowie den engen finanziellen Spielraum haben die Kreise und Kreistage kaum noch eigene Gestaltungsmöglichkeiten. Eine interessante Funktion haben die Kreise hingegen als Gemeindeverband, der kleine Gemeinden nach außen vertritt und über die Kreisumlage einen Finanzausgleich zwischen armen und reichen Gemeinden leistet.

Zur Ebene Regierungsbezirk besteht im Allgemeinen überhaupt keine Bindung. Regierungsbezirke habe keine gewählte Volksvertretung und keine dem Bürger ersichtliche Funktion. Ihr bürokratischer, bürgerferner Charakter kommt bereits durch die Namensgebung zum Ausdruck: sie tragen meist nicht den Namen der Region, sondern den des Verwaltungssitzes, was bei Bezirken mit kleinen, peripher gelegenen Hauptstädten zu absurden Bezeichnungen führt.

Ein erfolgreicher Ansatz zur Lösung stadtregionaler Konflikte kann also nicht den Fortbestand aller genannten Ebenen zur Bedingung haben. Die Repräsentanten dieser Verwaltungsebenen wissen um deren Bedrohung und damit auch die ihrer Ämter- und leisten jedem Versuch zur Neuorganisation überholter Verwaltungsstrukturen heftigen Widerstand.

Der Staat als Schiedsrichter?  [ Seitenanfang ]

Der Konflikt zwischen der Kernstadt und zahlreichen Amts- und Interessenträgern des Umlands wird nicht von den Beteiligten selbst gelöst werden. Nur die übergeordnete staatliche Ebene hat die Macht und die Werkzeuge, zum Wohle der Gesamtregion die Kernstadt zu stärken und dabei die Belange des Umlands angemessen zu berücksichtigen.

Voraussetzung hierfür ist allerdings ein Abschied von partei- und machttaktischen Winkelzügen, ein Bekenntnis des Staats zu seiner Metropole sowie der politische Wille, Widerstände von Inhabern auflösungsbedrohter Ämter zu überwinden.