2.4. Umlandverbände (Mehrzweck-Pflichtverbände) [ Seitenanfang ]

(„Verbandstyp“ nach Wagener)

2.4.1. Eigenschaften [ Seitenanfang ]

Mehrzweckverbände basieren auf dem Zweckverbandsprinzip, sind jedoch für ein breites Spektrum an Aufgaben eingerichtet. Sie besitzen ein Entscheidungsgremium (direkt demokratisch gewählt oder aus Abgesandten der Mitgliedseinheiten bestehend), in denen auch Mehrheitsentscheidungen möglich sind, d.h. einzelne Mitglieder können gegen ihren Willen zu Handlungen in Sinne der Gesamtregion verpflichtet werden. Die innere Organisationsstruktur ist bei freiwilligen Zusammenschlüssen in einer Verbandssatzung zu regeln, bei gesetzlich angeordneten im Landesgesetz. Aufgaben solcher Verbände sind z.B. gemeinsame Regional- oder Flächennutzungsplanung, Koordinations-, Investitions- und Durchführungsaufgaben.

2.4.2. Vorteile [ Seitenanfang ]

Mehrzweck-Pflichtverbände sind bei räumlicher Übereinstimmung mehrerer Aufgaben sinnvoll. Durch die Konzentration mehrerer Aufgaben in einer Hand sind Querkoordinierung und Interessenausgleich eher möglich als bei einer Kompetenzzersplitterung in monothematische Zweckverbände.

Bei ausreichender Kompetenzausstattung ist ein Umlandverband ein brauchbarer Kompromiss zwischen einer gebietskörperschaftlichen Zwangsvereinigung und einer unverbindlichen und folgenlosen freiwilligen Kooperation; die Stadtregion kann nach außen hin merklich gestärkt werden, ohne im Innern die formelle Eigenständigkeit der Gemeinden in Frage zu stellen.

2.4.3. Nachteile [ Seitenanfang ]

Durch die naturgegeben jeweils unterschiedliche räumliche Verflechtung verschiedener Aufgabenfelder wird niemals endgültige Einigkeit über den richtigen räumlichen Zuschnitt erzielt werden.

Die meist erforderliche Gesetzesform (Pflichtmitgliedschaft) ist ein staatlicher Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung. Es werden jedoch keine Verwaltungseinheiten abgeschafft, sondern zusätzlich eine neue Ebene geschaffen. Durch die Übernahme von Kompetenzen der Landkreise wird deren ohnehin dünnes Aufgabenprogramm weiter ausgehöhlt. Man zwingt den Mitgliedern eine Kooperationsform auf, die im Umland und gelegentlich selbst in der Kernstadt nicht gewollt ist, lässt ihnen aber noch die Macht, die Arbeit der regionalen Organisation zu behindern.

2.4.4. Beispiel: Verband Region Stuttgart [ Seitenanfang ]

Aufbau  [ Seitenanfang ]

Der VRS wurde 1994 durch Landesgesetz gegründet und wurde Nachfolger des in der engeren Stadtregion tätigen Nachbarschaftsverbands Stuttgart (28 Gemeinden). Grundlage war das „Gesetz über die Stärkung der Zusammenarbeit in der Region Stuttgart“ vom 24.1.1994, Gründung: „Gesetz zur Errichtung des Verbands Region Stuttgart“ (GVRS) vom 7.2.1994.

Der Verband ist eine rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts, keine regionale Gebietskörperschaft. Landkreise und Gemeinden blieben erhalten, die Kernstadt bleibt kreisfrei. Er ist ein Gemeindezusammenschluss nach §§ 203 (2), 205 (6) BauGB, deshalb ist keine gemeinsame Bauleitplanung möglich. Der Verband kann bei regional bedeutenden Projekten Mitgliedsgemeinden zur Aufstellung eines Bebauungsplans zwingen (Planungsgebot).

Pflichtaufgaben des VRS sind:

Der Verband nach § 3 (2) und (3) durch Beschluss der Regionalversammlung bestimmte weitere Aufgaben übernehmen.

Das Verbandsgebiet ist vergleichsweise großzügig bemessen und zählt 2,6 Millionen Einwohner auf 3.654 km². Mitglieder sind die Stadt Stuttgart und 179 Gemeinden in fünf Landkreisen (Böblingen, Esslingen, Göppingen, Ludwigsburg, Rems-Murr). Organe sind die direkt gewählte Regionalversammlung (Wahlkreise entsprechen Kernstadt und Landkreisen), der Verbandsvorsitzende und der Regionaldirektor.

Das Gesetz ermöglicht eine eigenständige Regionalpolitik, die über die Addition einzelgemeindlicher Wünsche hinausgeht. Der VRS finanziert sich durch Gebühren, einen Landeszuschuss (für Regionalplanung) und die Verbandsumlage (§§ 20-22 GVRS), hat aber keine eigene Steuerquelle.

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Durch den Gebietszuschnitt ist der Verband eher auf der Maßstabsebene der Großregion als dem der engeren Stadtregion tätig. Er ist relativ gut mit regionalen, dagegen kaum mit kommunalen Kompetenzen ausgestattet. Im Gegensatz zum Vorgängerverband wurde die Flächennutzungsplanung auf die Gemeinden zurückverlagert. Das Instrument des Planungsgebots ist jedoch ein mutiger Schritt.

Die Beibehaltung der bestehenden Verwaltungsstrukturen (Gemeinden, Kreise, Regierungsbezirk) steht dagegen eher für ein konservatives Handeln. Den Verwaltungsebenen wurde zusätzlich die des Verbands hinzugefügt. Es gingen also keine Pöstchen für verdiente Parteifreunde verloren. Folge der Zurückhaltung ist eine Konkurrenz um Kompetenzen zwischen Landkreisen, Regierungsbezirk und Region.