2.7. Die föderative Stadt (Regionalstadt) Seitenanfang ]

(„Zwei-Stufen-Stadt“ und „Bezirksverwaltungstyp“ nach Wagener)

2.7.1. Eigenschaften Seitenanfang ]

Die zweite Form der gebietskörperschaftlichen Lösung ist die Bildung einer Großgemeinde mit zweistufigem Aufbau:

Hierbei werden möglichst viele Kompetenzen auf die Bezirksebene abgegeben. Die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstadt/"Außenpolitik" und Lokal-/Bezirkspolitik wird in den deutschen Stadtstaaten bereits angewandt.

Der Übergang vom Stadtkreis („Städtebund“) zur Regionalstadt („Bundesstadt“) kann stufenweise erfolgen. Anstelle von nach rationalen Kriterien geschnittenen Stadtbezirken vergleichbarer Größe können zunächst auch die Mitgliedsgemeinden in ihren alten Grenzen als Teilgemeinden als zweite Verwaltungshierarchiestufe übernommen werden. Die bisherige Kernstadt kann hierbei ebenfalls schon in Teilgemeinden zerlegt werden, um keine Regionalstädter „erster“ (Alt-Kernstädter) und „zweiter Klasse“ (bisherige Vorortbewohner) entstehen zu lassen.

2.7.2. Vorteile Seitenanfang ]

Die (sachgerecht abgegrenzte) Stadtregion wird in eine schlagkräftige und wahrnehmbare gebietskörperschaftliche Form gebracht. Eine so geschaffene (Millionen-)Stadt hat es leicht, einen wichtigen Platz in der nationalen und europäischen Städtelandschaft zu erobern und wird als Metropole ernster genommen als ein Umlandverband. Die Position der betroffenen Stadtregion in der internationalen Metropolenkonkurrenz wird deutlich gestärkt.

Durch die Gliederung der Kernstadt in Stadtbezirke oder Teilgemeinden wird der Gegensatz zwischen bisherigen Kernstädtern und bisherigen Vorortbewohnern aufgehoben.

Im Gegensatz zur klassischen Eingemeindung bleibt auf kommunaler, bürgernaher Ebene eine Selbstverwaltungsstruktur bestehen. Eine (auch personelle) Kontinuität in der Ortspolitik und -verwaltung ist möglich, durch die politische Repräsentanz wird die Identität der Gemeinden besser gesichert als bei einer bloßen Eingemeindung.

Nach einer Phase des lokalpatriotisch motivierten Widerstands wird sich mittelfristig eine regionalstädtische Identität durchsetzen; auch und gerade die Bewohner peripherer Stadtteile werden stolz darauf sein, Bürger der Metropole zu sein. Die Identifikation mit dem stadtregionalen Teilraum wird dabei jedoch nicht verloren gehen. Somit entspricht die administrative Gliederung der föderativen Stadt auch der Wahrnehmung ihrer Bewohner.

Im Gegensatz zu einer kreisverfassten Gebietskörperschaft hat eine Kommune eigene Steuereinnahmen und ist nicht ausschließlich auf Umlagefinanzierung und landesweiten kommunalen Finanzausgleich angewiesen.

2.7.3. Nachteile Seitenanfang ]

Die zweistufige föderative Stadtgliederung verursacht höhere Kosten und einen mutmaßlich höheren Verwaltungsaufwand als eine zentralistisch verwaltete Großstadt, ohne jedoch in vollem Umfang die Bürgernähe der bisherigen Vorortgemeinden zu erreichen. Da die Stadtbezirke eine gewisse Mindestgröße nicht unterschreiten sollten, müssten bei größeren, polyzentrischen oder unübersichtlichen Bezirken noch dezentrale Bürgerämter eingerichtet werden.

In der kommunalpolitischen Propaganda wird ein Regionalstadtprojekt mit einer Eingemeindung gleichgesetzt und den Bürgern der Umlandgemeinden als solche und damit als Untergang ihrer freiheitsliebenden Heimatkommune vermittelt.

Da ein Regionalstadtprojekt i.A. einen ganzheitlichen Ansatz verfolgt, d.h. anstatt der Eingemeindung ausgewählter Kommunen eine Lösung für die gesamte Stadtregion verfolgt, hat man als politischer Unterstützer der Idee sofort die gesamte Region gegen sich und nicht nur wenige Betroffene.

2.7.4. Regionalstadt mit Teilgemeinden Seitenanfang ]

Beispiel: Stadtprovinzen Amsterdam und Rotterdam Seitenanfang ]

Provinzen und Stadtregion „Randstad Holland“
Das Königreich der Niederlande besteht administrativ aus 12 Provinzen. Diese sind historisch gewachsen und stehen durch die Bevölkerungsentwicklung der vergangenen Jahrhunderte in einem sehr ungleichen Verhältnis zueinander. Der Nordosten des Landes ist dünn besiedelt. Die Europäische Metropolregion Randstad Holland im Westen hingegen zählt allein 6 Millionen Einwohner und gibt den beteiligten Provinzen Nordholland, Südholland und Utrecht ein großes Gewicht innerhalb der Niederlande.

Die Randstad besteht aus mehreren zusammenhängenden Teilagglomerationen mit mehreren Kernen und besitzt keine allein dominierende Zentralstadt. Der Ballungsraum als Ganzes erreicht internationale Bedeutung, die führenden Teilstädte nur auf Spezialgebieten:

Die Stadtgebiete der Großstädte sind eng bemessen. Eingemeindungen sind in den Niederlanden relativ unüblich. Zur Verwirklichung von Großprojekten gaben Nachbargemeinden unbebaute Flächen an die Kernstadt ab, der bewohnte Teil des Gemeindegebiets blieb aber meist selbständig, mit teilweise bizarren Folgen.

Das Projekt „Stadsprovincies“
In den frühen 90er Jahren wurde die Bildung von Stadtprovinzen rund um die drei größten Städte Amsterdam, Rotterdam (Rijnmond) und Den Haag (Haaglanden) vorgeschlagen. Die Großstädte sollten hierbei mit ihren Vorortgemeinden zu neuen Provinzen zusammengefasst werden. Ziele waren der Abbau innerregionaler Konkurrenzen und die Stärkung der Stadtregionen im europäischen Kontext.

Die bestehenden Gemeinden sollten auch innerhalb der Stadtprovinz weiter fortbestehen. Um ein „Übergewicht“ der Kernstadt und eine Fremdbestimmung der Vororte durch die Großstadt zu verhindern, sollten diese sogar in einzelne, selbständige Gemeinden aufgespalten werden. Amsterdam sollte so in 13, Rotterdam in 10 Teilgemeinden zerlegt werden.

Neben den bisher von der Provinz (Amsterdam: Nordholland; Rotterdam und Den Haag: Südholland) wahrgenommenen Aufgaben sollten auch Reich und Kommunen Kompetenzen an die Stadtprovinz abtreten. Diese übernimmt die Trägerschaft von Einrichtungen mit regionaler Bedeutung (Häfen, Grundstücksmanagement, ÖPNV, Abfallwirtschaft, Kulturpolitik, Sozialwohnungen u.a.). Die Gemeinden behalten die Zuständigkeiten für Schulen, Sport, Soziales und andere lokale Angelegenheiten.

Der Stadtprovinz Amsterdam sollten neben der zu zerschlagenden Kernstadt 13 Vororte angehören:

Das Amsterdamer Projekt wurde 1995 bei einer Volksabstimmung abgelehnt. Gründe hierfür waren nicht nur die politisch nicht durchsetzbare Idee einer Zerlegung der alten Stadt Amsterdam, sondern auch die undurchsichtige Kompetenzverteilung zwischen Teilgemeinden und Stadtprovinz (ÖPNV, Hauptstadtfunktion, Polizei, u.a.). Sogar in den Vororten wurde die Stadtprovinz abgelehnt, weil diese selbst bei dieser sehr Vorortfreundlichen Lösung eine Einschränkung ihrer Selbständigkeit fürchteten. Auch die Stadtprovinzen Rotterdam und Den Haag wurden nicht verwirklicht. In den drei Stadtregionen wurden Umlandverbände eingerichtet, die heute für eine Kooperation unter größer Wahrung kommunaler Selbstverwaltung sorgen.

Fazit
Das Beispiel zeigt die Schwierigkeit einer einvernehmlichen und für alle zufriedenstellenden Lösung. Ähnlich wie im europäischen Einigungsprozess gibt es sachlich gerechtfertigte, aber extrem unpopuläre Projekte, die keine Aussicht auf demokratische Legitimation oder freiwillige Übereinkunft aller Beteiligten besitzen, aber eventuell im Sinne übergeordneter Ziele trotzdem verwirklicht werden sollten.

2.7.5. Regionalstadt aus Stadtbezirken Seitenanfang ]

Beispiel: Regionalstadt Hamburg Seitenanfang ]

Ende des 19. Jh. wuchs Hamburg schnell über die damaligen Grenzen des Stadtstaats hinaus. Holsteinische und hannoversche (damals also preußische) Städte wurden von der dynamischen Siedlungsentwicklung überrollt. Einige Städte wurden in den 20er Jahren zu großen Einheiten zusammengefasst. Altona, Wandsbek und Harburg-Wilhelmsburg wurden zu Großstädten mit mehreren 100.000 Einwohnern.

Die heutige Form des Bundeslandes Hamburg entstand durch ein Reichsgesetz. Die staatliche Zersplitterung der Stadtregion Hamburg wurde bereinigt. Die genannten Nachbarstädte wurden zusammen mit zahlreichen kleineren Gemeinden in das Hamburger Staatsgebiet eingegliedert. In mehreren Schritten wurden alle Hamburger Städte und Kreise zu einer Einheitsgemeinde vereinigt. Auf einer Fläche von 755 km² leben heute 1,7 Millionen Einwohner.


Der Übergang von der Stadt Hamburg als einer von vielen Gemeinden des gleichnamigen Bundeslandes zur heutigen Einheitsgemeinde im stark vergrößerten Stadtstaat geschah ab 1937 in mehreren Schritten.

Quelle: © Hamburger Landeszentrale für politische Bildung.

Die Regionalstadt Hamburg besteht aus sieben Stadtbezirken (gelbe Linien), die in 22 Kern- und Ortsämter unterteilt sind (blaue Linien). Die 104 Stadtteile (weiße Linien) haben keine administrative Funktion.

Quelle: © Hamburger Landeszentrale für politische Bildung.

Die Regionalstadt Hamburg besitzt einen dreistufigen Verwaltungsaufbau, der in einem Gesetz geregelt wird. Die dort genannten sieben Bezirke sind verantwortlich für „diejenigen Aufgaben der Verwaltung, die nicht wegen ihrer übergeordneten Bedeutung oder ihrer Eigenart einer einheitlichen Durchführung bedürfen“. Die Bezirke besitzen direkt gewählte Parlamente (Bezirksversammlungen, 41 Mitglieder, § 7) und Bezirksämter. Die Bezirksamtsleiter entsprechen den Berliner Bezirksbürgermeistern. Nach § 3 (1) BezVG richten die Bezirksämter zur Ausübung ihrer Aufgaben Ortsämter ein; die Bezirksversammlungen setzen für Angelegenheiten von örtlichem Interesse in jedem Ortsamtsbereich einen 15-köpfigen Regionalausschuss ein (§ 22 BezVG).