3.3. Die Regionaldiskussion seit den 90er Jahren Seitenanfang ]

3.3.1. Ballungsraumgesetz 2000 Seitenanfang ]

Die Unzufriedenheit mit dem Umlandverband Frankfurt und die seit Mitte der 90er Jahre wieder lebhaft geführte regionale Reformdiskussion mündeten 2000 unter der neuen CDU/FDP-Regierung in das so genannte „Ballungsraumgesetz“ (BRG), das Grundlage der heutigen interkommunalen Organisation der Stadtregion ist.

Das Gesetz regelt die Einrichtung dreier regionaler Institutionen: „freiwilliger“ Zweckverbände, eines „Rats der Region“ und eines Planungsverbands. Diese Einrichtungen haben keine direkt gewählte Vertretung und damit keine unmittelbare demokratische Legitimation mehr. Ein innerregionaler Lastenausgleich zum Abbau von Disparitäten im Bereich von Infrastruktur- oder Sozialleistungen ist nicht vorgesehen.

Zweckverbände  Seitenanfang ]

Das Gesetz folgt dem Grundsatz einer dezentralisierten regionalen Aufgabenwahrnehmung durch eine Vielzahl räumlich und organisatorisch unterschiedlich strukturierte Aufgabenträger (Zweckverbände). Eine Abstimmung untereinander ist nicht vorgesehen. Aufgaben dieser Zweckverbände sind etwa Abfallwirtschaft, Wasserwirtschaft, Sport- und Kultureinrichtungen, Standortmarketing, Verkehrsmanagement und der Regionalpark RheinMain.

Diese interkommunalen Zweckverbände basieren zunächst auf Freiwilligkeit. Die Bereitschaft zur Zusammenarbeit oder gar zur finanziellen Solidarität ist in der Region aber stark unterentwickelt bzw. gar nicht vorhanden. Die freiwilligen Verbände sollten laut Gesetz bis Ende 2002 entstanden sein. Bis dahin gab es aber nur eine Gesellschaft für den Regionalpark. Das Gesetz behält der Landesregierung das Recht vor, bei Scheitern der freiwilligen Kooperationen Zwangsverbände einzurichten, was bisher (2004) nicht geschehen ist. Durch die im Gesetz vorgesehene Fragmentierung der Zuständigkeiten werden Synergiepotentiale verschenkt, der interdisziplinäre Blickwinkel eingeschränkt und durch eine Vielzahl von Gremien und Aufsichtsräten ein teures und unüberschaubares, demokratisch nicht legitimiertes Geflecht von Pöstchen geschaffen.

Rat der Region Seitenanfang ]

Der „Rat der Region“ setzt sich zusammen aus Vertretern der Kreise und der Städte über 50.000 Einwohner. Vorsitzende ist die Frankfurter Oberbürgermeisterin. Der Rat soll nicht näher definierte Grundsätze und Richtlinien für die gemeinsamen Aufgaben des Ballungsraums festlegen. Möglichkeiten zur Durchsetzung seiner Richtlinien gegenüber Zweckverbänden und Mitgliedsgemeinden besitzt der Rat nicht.

Er ist damit nicht in der Lage, nennenswert zur Bewältigung der angesprochenen Herausforderungen beizutragen. Die Aufstellung von Grundsätzen für die gemeinsamen Aufgaben ist als Funktion einer Steuerungsebene nicht ausreichend.

Planungsverband Ballungsraum Frankfurt RheinMain Seitenanfang ]

Der Planungsverband ist Rechtsnachfolger des aufgelösten Umlandverbands Frankfurt. Anders als dieser ist er aber kein Mehrzweckpflichtverband, sondern hat als einzige Aufgaben die gemeinsame Landschafts- und Flächennutzungsplanung nach § 205 Abs. 6 BauGB, darunter die Erstellung eines Regionalen Flächennutzungsplans (RFNP) nach § 9 (6) ROG anstelle von FNP und Regionalplan. Die regionalplanerischen Inhalte werden mit der Regionalversammlung Südhessen (beim Regierungspräsidium, gemäß § 18 HLPG) abgestimmt, über die flächennutzungsplanrelevanten Inhalte entscheidet die Verbandskammer allein.

Entscheidungen im Planungsverband trifft die Verbandskammer, in der die Gemeinden je nach Größe mit unterschiedlichem Stimmengewicht (1-12 Stimmen) vertreten sind. Die Verbandskammer ist eigentlich ein Parlament, das aber nicht frei gewählt wird (§29 HGO, § 21 HKO). Die Vertreter sind von den Mitgliedsgemeinden entsandt und diesen verpflichtet, nicht der Gesamtregion. Niemand wird den Interessen seiner Heimatgemeinde zuwiderhandeln, nur weil es der Gesamtregion dient. Unangenehme Entscheidungen sind nur in Form von „Kuhhändeln“ möglich.

Für eine Übergangszeit ist der Planungsverband mit der Abwicklung begonnener Projekte des aufgelösten UVF betraut (Artikel 3 § 1 BRG).


Das Gebiet des ehemaligen Umlandverbands (grün) und der darüber hinausgehende Geltungsbereich des Ballungsraumgesetzes (schraffiert), gleichzeitig die Abgrenzung des dadurch geschaffenen Planungsverbands.

Die Zusammenarbeit zwischen Planungsverband und RP beim regionalen FNP lässt Konflikte erwarten (Überschneidung der Kompetenzen, aber unterschiedliche gesetzliche Planungsaufgaben, unterschiedliche Planungskultur, unterschiedliche politische Mehrheiten). Für diese ist bereits im Voraus ein zehnköpfiger Vermittlungsausschuss eingeplant worden  (§9a HLPG). Durch den Regionalen Flächennutzungsplan wird der Regionalplan überflüssig: eine Planungsebene entfällt.

Der Regionale Flächennutzungsplan soll nach Art. 11 Abs. 7 BRG im Maßstab 1:50.000 erstellt werden. Da nach §8 (2) BauGB der Bebauungsplan aus dem FNP entwickelt werden soll, muss eine möglichst genaue Zuordnung der jeweiligen Flächen zu den vom B-Plan betroffenen Parzellen möglich sein. Bereits der FNP des UVF war der flächenmäßig größte der Bundesrepublik, seine Aufstellung dauerte bis zur Feststellung durch die Landesregierung 12 Jahre. Ein nochmals vergrößertes Plangebiet lässt die Koordinierungsprobleme weiter anwachsen.

Abgrenzung Seitenanfang ]

Der Geltungsbereich des Ballungsraumgesetzes umfasst ein deutlich größeres Gebiet als der ehemalige Umlandverband (siehe Karte oben). Betroffen sind 75 Gemeinden mit 2.458 km² und 2,2 Millionen Einwohnern. Die Abgrenzung orientiert sich weitgehend nicht an bestehenden Kreisgrenzen. Das Gebiet umfasst nicht die gesamte Großregion, sondern nur das erweiterte Umland von Frankfurt, allerdings mit einigen sehr stadtfernen Bereichen im Norden. Die wichtigen Nebenzentren der Großregion (Wiesbaden, Mainz, Darmstadt) blieben unberücksichtigt.

Bewertung Seitenanfang ]

Von den meisten Akteuren wird das Ballungsraumgesetz für noch schlechter als der frühere Umlandverband gehalten. Zu bedenken ist hierbei, dass der Umlandverband von einer SPD-geführten, das BRG von einer CDU-geführten Regierung beschlossen wurde und sich für viele Beteiligte eine Unterstützung für das Projekt der jeweiligen politischen Konkurrenz schon deshalb verbietet.

Es ist überraschend, dass nach über 30 Jahren einer von Misstrauen und Verweigerung geprägten Diskussion ein neues Gesetz auf Problemlösung durch freiwillige Kooperation setzt. Dieser Optimismus ist nicht begründbar. Durch die Streuung der Zuständigkeiten mangelt es dem Modell an Transparenz, demokratischer Legitimation, Koordination und Schlagkraft. Schon der alte UVF war im Bewusstsein der Bürger kaum verankert, der neue Verband ist in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Der Gebietszuschnitt ist inkonsequent: der gesetzlich festgelegte „Ballungsraum“ ist als Stadtregion zu groß, zur Abdeckung des gesamten Verflechtungsbereichs der Großregion ist er zu klein.

Verglichen zum Vorgängermodell (UVF) und auch zu den im Vorfeld diskutierten Regionalkreis-Modellen (vgl. das „Jordan-Papier“) ist das Ballungsraumgesetz ein deutlicher Rückschritt. Die ohnehin wenigen Kompetenzen des UVF wurden weiter verringert. Die Konstruktion der unkoordinierten Zweckverbände führt zu einer weiteren Zersplitterung der regionalen Kompetenzen und erschwert die Transparenz für die Bürger. Eine sinnvolle Neuordnung des Ballungsraums ist damit nicht erreicht.

3.3.2. Reformvorschläge vor und nach dem BRG Seitenanfang ]

Weder der Umlandverband Frankfurt und noch weniger das Hessische Ballungsraumgesetz waren in der Lage, die Reformdiskussion in der Stadtregion Frankfurt zu beenden. Die Unzufriedenheit mit dem Umlandverband führte in der Folge zur noch schlechteren Regelung des Ballungsraumgesetzes.

Im Laufe der Diskussion wurden Dutzende von Vorschlägen zur Regionalreform gemacht, mit sehr unterschiedlichen Gebietszuschnitten und Kompetenzen, etwa Informelle Konzepte (Netzwerke, Regionalkonferenzen), Mehrzweck-Pflichtverbände und Regionalkreismodelle. Die aktuelle Reformdiskussion unterscheidet sich nicht wesentlich von der vergangener Jahrzehnte (20er oder 70er Jahre). nach wie vor geht es um die Überwindung der administrativen Zersplitterung, Eingemeindungen oder Verbandslösungen. Der erbitterte Widerstand von Inhabern potentiell abschaffungsbedrohter Posten (Landräte, Bürgermeister, Regierungspräsident) sowie die mangelnde Kooperation der Landesregierung aufgrund befürchteten Machtverlusts gegenüber einer starken Metropolregion verhindern bis heute jede brauchbare Lösung.

3.3.3. Regionalkreis-Konzepte Seitenanfang ]

Der CDU-Bezirk Untermain forderte 1995 eine dreistufige Landesverwaltung aus Land, Region und Gemeinden und damit eine Regionalkreislösung. Hessen sollte in sechs Regionen eingeteilt werden: Darmstadt, Frankfurt, Wiesbaden, Gießen, Fulda und Kassel. Trotz der Bedeutung Frankfurts sollte für diese Stadtregion kein Sonderweg innerhalb Hessens eingeschlagen werden: die „Einheitlichkeit der Verwaltung“ wurde für wichtiger erachtet. Der Regionalkreis Frankfurt sollte auf 4.400 km² Fläche 2,5 Mio. Einwohner haben.

Der SPD-Bezirksvorstand Hessen-Süd veröffentlichte im Januar 1996 ein Positionspapier „Der Regional-Kreis Rhein-Main“, das in der Folge als „Jordan-Papier“ in die Fachdiskussion einging.

Dieser Regionalkreis Rhein-Main sollte Regierungsbezirke, Landkreise und UVF ersetzen. An der „Einheitlichkeit der Verwaltung“ wird nicht festgehalten, sondern eine Sonderlösung für das Rhein-Main-Gebiet angestrebt. Die Landkreise im ländlich geprägten Nordhessen seien durchaus funktionsfähig, die in der Frankfurter Stadtregion jedoch nicht.

Ziele des Konzepts sind der Abbau innerregionaler Konkurrenzen, die Bündelung der regionalen Kräfte, schlankere Verwaltungsstrukturen und die Stärkung der Gemeinden. Strategische Steuerung (Planung) und Umsetzung (Ausführung) sollten in eine Hand gegeben werden. Aufgaben des Regionalkreises sind u. a. Sozialhilfe, Jugendhilfe, Regionalplanung, Gesamtverkehrsplanung, Wirtschaftsförderung, Bodenbevorratung, Wasser, Abwasser, Abfall, überörtliche Freizeit- und Erholungseinrichtungen und die Beteiligung an Flughafen, Verkehrsverbund und Wohnungsunternehmen.

Der Regionalkreis finanziert sich durch direkte Beteiligung an den Kommunalsteuern, einen einkommensorientierten innerregionaler Finanzausgleich, eine Regionsumlage, Gebühren, den landesweiten kommunalen Finanzausgleich und Landeszuweisungen.

Die Abgrenzung orientierte sich an bestehenden Kreisen: Städte Frankfurt, Offenbach, Wiesbaden; Kreise Offenbach, Groß-Gerau, Rheingau-Taunus, Main-Taunus, Hochtaunus, Wetterau und Main-Kinzig.

Das Konzept Regionalkreis dient einem großen Teil der Reformvorschläge als Grundlage. So sprach sich 2003 auch der Offenbacher Oberbürgermeister Grandke (SPD) für die Bildung eines solchen Regionalkreises im Rhein-Main-Gebiet aus. Erst durch die Region werde Frankfurt zu einer Metropole. Dieser Zuschnitt sei „eine wettbewerbsfähige Grundlage gegenüber den anderen Metropolen zumindest in Europa“.

Angestrebt sind ein besserer Lastenausgleich und Synergieeffekte der sozialen und kulturellen Infrastruktur. Ein Parlament mit regionalem Anspruch soll gebildet werden, um zur Identität der Region beizutragen. Der intraregionale Wettbewerb soll bestehen bleiben, damit „schnellere“ Stadtregierungen auch weiterhin „belohnt“ werden. Nach außen hin soll die Region aber gemeinsam auftreten. Auch Grandkes Vorschlag beschränkt sich bewusst nur auf die hessischen Gebietsteile der Region.

Auch der Landrat des Wetteraukreises, Rolf Gnadl (SPD), forderte 2003 die Bildung „eines Regionalkreises oder eines Regionalverbandes, der souverän genug ausgestattet sein“ müsste.

3.3.4. Verbandsmodelle Seitenanfang ]

Der Verbandsdirektor des UVF, Behrendt, schlug 1994 die Ausdehnung des UVF auf die ganze Wirtschaftregion vor. Das Gesetzgebungsverfahren solle sicherstellen, dass auch nichthessische Gemeinden in den Stadtregionen Mainz und Aschaffenburg beitreten könnten. Der Verband solle (vergleichsweise wenige) Planungs- und Trägerschaftsaufgaben übernehmen, statt der Flächennutzungsplanung die Regionalplanung betreiben. Wasser- und Abwasserwirtschaft sollten in Zweckverbänden organisiert werden. Die bestehenden Verwaltungsebenen blieben unverändert erhalten.

Der Landrat des Main-Taunus-Kreises, Riebel (CDU), beschrieb 1994 mit seinem Beitrag „Europaregion Rhein-Main“ die Linie seiner Partei. Sowohl Eingemeindungen als auch finanzielle Beteiligungen des Umlandes werden klar abgelehnt. Ein Regionalverband, solle, flächenmäßig größer als der UVF, Flächennutzungsplanung und Regionalplanung betreiben. Auf die Trägerschaftsaufgaben des UVF wurde weitgehend verzichtet. Riebels Vorschlag kam von allen der verwirklichten Realität am nächsten: mit dem Planungsverband Frankfurt/Rhein-Main wurde 2001 unter der Regierung des aus dem Main-Taunus-Kreis stammenden Ministerpräsidenten Koch ein größerer, aber abgesehen von Planungsaufgaben weitgehend tätigkeitsloser Verband geschaffen und der ungeliebte UVF aufgelöst.

3.3.5. Regionalstadtmodelle Seitenanfang ]

Niemand hat die Absicht, eine Regionalstadt zu errichten! —  Seit der extrem emotional geführten Debatte um den Möller-Plan 1971 ist der Terminus „Regionalstadt“ im Rhein-Main-Raum ein Tabubegriff. Unabhängig von einer evtl. vorhandenen Sinnhaftigkeit eines solchen Modells versichern alle Autoren von Reformvorschlägen, sie beabsichtigten nicht die Einrichtung einer Regionalstadt, selbst dann, wenn genau dies der Fall ist.

Der Frankfurter Planungsdezernent Wentz (SPD) entwarf 1994 ein Modell namens „Kommunale Kooperation“. Die Kernstädte Frankfurt und Offenbach sowie die wohlhabenden Vorstadtgemeinden Bad Vilbel, Eschborn und Neu-Isenburg sollten dabei einen „regionalen Interessen- und Verwaltungsverbund zur gemeinsamen Steuererhebung und Finanzverteilung“ bilden. Die Frankfurter Ortsbeiräte wären dabei mit neuen Abgrenzungen und mit Kompetenzen auszustatten, die mit denen der drei genannten Vororte vergleichbar sind. Der Verbund wäre für die „gemeinsame Steuererhebung und Finanzverteilung“ zuständig.

Der CDU Frankfurts forderte 1995 die Bildung einer Großgemeinde Groß-Frankfurt. Das Modell orientierte sich eng am Möllerschen Plan von 1971, dessen Aktualität damit ein weiteres Mal unter Beweis gestellt wurde. Als Abgrenzung wurde etwa das Gebiet des UVF vorgesehen. Die Kernstadt sei in vier bis sechs „Bezirksgemeinden“ zu zerlegen. Die Finanz- und Planungshoheit läge in der Hand der Großkommune.

3.3.6. Eingemeindungsdiskussionen Seitenanfang ]

Eingemeindungen werden von den Akteuren, je nach Eigeninteresse mit Genugtuung oder Bedauern, gemeinhin als „politisch nicht durchsetzbar“ angesehen.

Aufgrund der finanziellen Disparitäten zwischen Kernstadt und Umland und der mangelnden Aussicht auf freiwillige Einigung kündigten die Frankfurter Magistratsmitglieder HEMZAL (CDU), Schwarz (CDU) und Zimmermann (FDP) 2002 an, dass die drei aggressivsten Vorortgemeinden Eschborn, Bad Vilbel, Neu-Isenburg sowie Maintal früher oder später nach Frankfurt eingemeindet werden müssten.

Im Juni 2003 wurde die kommunale Selbstverwaltung der Vorortgemeinden von diesen selbst in Frage gestellt. In den finanziell angeschlagenen Städten Schwalbach und Steinbach wurde eine freiwillige Eingemeindung in die zwischen beiden liegende, finanzstarke Stadt Eschborn diskutiert. In Schwalbach wurde der Vorschlag vom dortigen Bürgermeister persönlich ins Spiel gebracht. Der Steinbacher FDP-Fraktionsvorsitzende Naas meinte, die Bürger seien bereit, auf die Selbständigkeit ihrer Gemeinde zu verzichten. Entscheidend sei die Wohnqualität und nicht, was auf dem Ortsschild stehe. Die Vertreter der Stadt Eschborn, die von etwa 20.000 auf 50.000 Einwohner anwachsen würde, zeigten sich zurückhaltend, aber aufgeschlossen.

Auch der Bestand der Landkreise wird von diesen selbst nicht mehr um jeden Preis verteidigt. Seit 2003 verfolgt der Landrat des Hochtaunuskreises, BANZER (CDU), eine Fusion seines Landkreises mit dem benachbarten Main-Taunus-Kreis — nicht, um die Stadtregion als Ganzes zu stärken, sondern als „Bollwerk gegen Frankfurt“, um Forderungen der Kernstadt noch stärker entgegentreten zu können.

3.3.7. Stadtkreis-Diskussion 2003 Seitenanfang ]

Die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth (CDU) unternahm 2003 mehrere Anläufe zur Belebung der Reformdiskussion. Sie favorisiert eine Stadtkreislösung und forderte, „die Region als Einheit zu betrachten“ und das „Gemarkungsdenken“ abzubauen. Die Stadtregion besäße „Züge eines Stadtstaats wie Hamburg“, sie „profitiert insgesamt oder verliert zusammen“.

Im Oktober 2003 veröffentlichte Roth einen konkret ausgearbeiteten Vorschlag zur Schaffung eines Stadtkreises Frankfurt durch Landesgesetz. Dieses muss den Zuschnitt und die Zuständigkeiten von Kreis und kreisangehörigen Gemeinden abgrenzen. Die Aufgaben des Planungsverbands und einige Kompetenzen der kreisfreien Städte gehen auf den Kreis über. Für die bisher schon kreisangehörigen Gemeinden ändert sich nichts.

Roth schlug einen gewählten Kreistag und einen direkt gewählten Landrat an der Spitze der Verwaltung vor. Die Kreisverwaltung könnte in den Rathäusern Außenstellen einrichten, durch bessere Zusammenarbeit der Ämter könnte der Bürger Amtsgeschäfte nicht nur am Wohn- sondern etwa auch am Arbeitsort erledigen.

Die Sozialhilfelasten würden gerechter in der Stadtregion verteilt. Die Kernstädte Frankfurt und Offenbach würden entlastet, wohlhabende Vororte stärker belastet.

Die vorgeschlagene Abgrenzung enthält 27 Kommunen mit etwa 1,3 Millionen Einwohnern (siehe Karte). Die Auswahl der Gemeinden erfolgte nach einer Auswertung der Verkehrsströme (Pendlerbeziehungen) in der Region.

Das Stadtkreismodell war ausdrücklich als Lösung für Frankfurt/Offenbach und den unmittelbaren Vorortbereich gedacht, nicht als Ersatz für eine Zusammenarbeit in der Großregion.

Stadtkreis Frankfurt
Die Abgrenzung des von Oberbürgermeisterin Roth vorgeschlagenen Stadtkreises Frankfurt (violett). Teile der engeren Stadtregion, vor allem im Süden, wurden nicht einbezogen (helle Färbung).In Orange die heutigen Landkreise, deren Grenzen beim Zuschnitt des Stadtkreises nicht berücksichtigt wurden. Neben des beiden kreisfreien Städten sind Kommunen aus sechs Landkreisen für die neue Gebietseinheit vorgesehen.

Die Reaktionen im Umland fielen wie erwartet aus. Der Bürgermeister der im Zusammenhang mit Eingemeindungsplänen oft genannten Stadt Bad Vilbel, Biwer (CDU), konnte an Roths Vorschlägen nur die Abkehr von der „Eingemeindungsdebatte“ als Positivum erkennen. Eine gebietskörperschaftliche Regionalstruktur und selbst Zweckverbände lehnte Biwer aus Sorge vor Zahlungsverpflichtungen seiner Gemeinde ab, statt dessen sprach er sich für „freiwillige Kooperationen“ aus.

Der Landrat des Hochtaunuskreises, Banzer (CDU), sah im Stadtkreis eine „Gleichschaltung in einem großen Rhein-Main-Brei“ und warnte vor einer Vereinheitlichung bei Sozialhilfe wie bei Krankenhäusern. Herr Banzer regiert einen der wohlhabendsten Landkreise der Bundesrepublik und würde bei Verwirklichung der Stadtkreis-Idee sein Amt verlieren.

Der Oberbürgermeister von Offenbach, Grandke (SPD), begrüßte Roths Vorschlag, sprach sich aber wie erwähnt für eine Kreislösung auf regionaler Ebene aus.

Der hessische Ministerpräsident Koch (CDU) reagierte zurückhaltend auf Roths Vorschläge. Beobachter werten dies als Ausdruck der Rivalität zwischen den beiden Parteifreunden — Roths Stadtkreisplan ist eine klare Absage an das von Koch gegen große Widerstände durchgesetzte Ballungsraumgesetz. Für Koch wiederum wäre eine starke Stadtregion eine Bedrohung seiner Machtfülle als Ministerpräsident.