3.4. Folgerungen aus 40 Jahren Regionaldiskussion Seitenanfang ]

3.4.1. Evaluation der Organisationsmodelle Seitenanfang ]

In den vergangenen 40 Jahren wurden in der Stadtregion Frankfurt nahezu alle von Wagener dargestellten Organisationsformen erprobt oder zumindest diskutiert.

Freiwillige Kooperationen, wie sie das Ballungsraumgesetz vorsieht und wie sie von Vertretern wohlhabender Vorortgemeinden aus naheliegenden Gründen immer wieder vorgeschlagen werden, haben in der Region praktisch keine Wirkung gezeigt: „Lösungen mit freiwilliger Kooperation sind keine Lösungen“ (Langenhagen-Rohrbach). Jegliche Bemühung zur freiwilligen Kooperation ist gescheitert.

Monothematische Zweckverbände scheinen für eine so große und komplexe Metropolregion für die meisten Aufgaben ebenfalls wenig geeignet zu sein. Eine Zersplitterung von Kompetenzen in unkoordinierte Zweckverbände ist für den Bürger nicht nachvollziehbar und demokratisch kaum kontrollierbar. Dieses Modell hilft nicht, die Region stärker als Einheit wahrzunehmen.

Ein Mehrzweck-Pflichtverband im Sinne des aufgelösten Umlandverbands scheint für die Stadtregion das Minimum an Verbindlichkeit darzustellen. Der UVF scheiterte nicht, weil er zu mächtig, sondern weil er zu schwach war. Die Auflösung des UVF ohne die Nachfolge einer stärkeren Organisationsform war ein Rückschritt. Ein neuer Verband muss zwingend mehr Kompetenzen gegenüber Kreisen und Gemeinden erhalten, die Einhaltung des Gesetzes muss vom Land überwacht werden. Bei  Verbandslösungen bleiben die vorhandenen Landkreise bestehen, es entstehen administrative Überschneidungen und Doppelzuständigkeiten.

Eine Regionalreform auf Basis des Kreismodells, wie von Jordan (Regionalkreis) und Roth (Stadtkreis) vorgeschlagen, bietet die Verbindlichkeit einer gebietskörperschaftlichen Lösung mit direkter demokratischer Legitimation bei gleichzeitiger Erhaltung der Eigenständigkeit der Mitgliedskommunen. Strittige Themen wie die regionale Zuständigkeit für die Sozialhilfe oder den innerregionalen Finanzausgleich sind in der Landkreisordnung bereits geregelt. Das Kreismodell sollte die Diskussionsgrundlage für die Zeit nach dem Ballungsraumgesetz sein.

Die immer wieder diskutierte Gründung einer Regionalstadt würde Frankfurt und sein Umland zu einer international ernstzunehmenden Millionenstadt werden lassen. Eine Großgemeinde würde in der Bevölkerung viel mehr als Einheit wahrgenommen werden als ein Stadtkreis. Durch die Bezirksverwaltung würden die Belange der stadtregionalen Teilräume auch ohne kommunale Eigenständigkeit repräsentiert.

Eine einfache Eingemeindung attraktiver Vorstädte ohne Änderung der Kommunalverfassung durch Frankfurt könnte aggressives und regionsschädliches Verhalten solcher Gemeinden beenden, die Sozialstruktur der Kernstadt verbessern und ihr Flächen für ihre Entwicklung geben. Sie würde dort allerdings auch eine Politik des „Weiter so“ ermöglichen, ohne dass eine Einheit zwischen Zentrum und Region erreicht würde. Die Eigenständigkeit von Gemeinden wird zu Unrecht wie ein Heiligtum behandelt; wird sie aber aufgegeben, sollte das Ergebnis besser sein als die Ausgangssituation.

3.4.2. Die Aufgaben der Landespolitik Seitenanfang ]

Jeder Versuch zur Problemlösung auf freiwilliger Basis ist gescheitert. Von der kommunalen Ebene wird keine Lösung ausgehen. Nur die Landespolitik kann der Stadtregion eine funktionsfähige Form geben. Konflikten mit Blockierern, Besitzstandswahrern, Pöstchenverteidigern und Bedenkenträgern darf die Landesregierung nicht aus dem Weg gehen, denn nur sie kann das Gemeininteresse gegen diese Verhinderer durchsetzen.

Das Land Hessen muss sich zur Region bekennen. Die Stärkung der nationalen und internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Region Frankfurt-Rhein/Main sollte als Staatsziel in die Hessische Verfassung aufgenommen werden, verbunden mit dem Ziel der Wahrung der Lebensfähigkeit der übrigen Landesteile (analog dem Leitbild in Brandenburg). Die Region ist in jeder Hinsicht „Motor“ des Bundeslandes, sie zu fördern ist die wichtigste Aufgabe der hessischen Strukturpolitik. Ein kleines Bundesland (6 Millionen Einwohner) beherbergt eine internationale Metropolregion, dies ist eine Herausforderung. Der Wohlstand Hessens ist in hohem Maße vom Erfolg dieser Region abhängig. Die Macht eines gewählten Regionsoberhaupts darf vom hessischen Ministerpräsidenten nicht als Konkurrenz angesehen werden. Eine friedliche „Vereinigung Frankfurts und Hessens“ ist überfällig.

Vorbild für die Förderung der Metropole Frankfurt durch das Bundesland kann die Metropolpolitik Bayerns für das mit Frankfurt in direkter Konkurrenz stehende Zentrum München sein. Trotz parteipolitischer „Verschiedenfarbigkeit“ stärkt die Landesregierung München in jeder möglichen Hinsicht in der nationalen und europäischen Städtekonkurrenz.

Vom sozialdemokratisch-nivellierenden landesplanerischen Leitbild einer möglichst gleichmäßigen Siedlungsstruktur in Hessen muss Abstand genommen werden, einerseits zur Stärkung der Metropole, andererseits zum Schutz von Natur und ländlichen Strukturen in den peripheren Regionen. Hessen muss sich als Großstadtregion begreifen, als „Stadtstaat mit Hinterland“ ähnlich dem geplanten Bundesland Berlin-Brandenburg.

3.4.3. Thesen zur überfälligen Rhein-Main-Reform Seitenanfang ]

Es muss zwischen einer Lösung für den unmittelbaren Stadt-Vorort-Bereich (Stadtregion) und einer für die gesamte Großregion unterschieden werden.

Für die engere Stadtregion Frankfurt muss eine verbindliche, gebietskörperschaftliche Lösung gefunden werden, die nach innen und außen als Einheit, als starker Metropolraum wahrgenommen wird.

An den in den 70er Jahren geschaffenen Kreisgrenzen sollte auf keinen Fall sklavisch festgehalten werden. Insbesondere die Kreise Main-Kinzig, Rheingau-Taunus, Hochtaunus und Groß-Gerau sind administrative Fehlkonstruktionen, durch deren Existenz man sich nicht unnötig lange behindern lassen sollte. Eine Lösung für die Stadtregion ist unabhängig von der administrativen Zukunft des restlichen Landes.

Die Diskussion darf nicht durch fiskalische Argumente dominiert werden! Der Zuschnitt der Stadtregion darf nicht vom Finanzsenator (Stadtkämmerer) bestimmt werden. Zusammenarbeit oder Eingemeindungen dienen der Stärkung der Stadtregion im europäischen Wettbewerb, nicht der Sanierung einzelner Haushalte. Wenn es zu Zwangszusammenschlüssen (Landesgesetz) kommt, darf die Finanzkraft der betroffenen Vororte keine Rolle spielen.

Eine gebietskörperschaftlich verfasste Stadtregion würde, anders als von vielen befürchtet, nicht von Frankfurt dominiert werden. Die bisherigen Vorortbewohner sind in der Überzahl. Das Zahlenverhältnis zwischen ehemaligen Kernstädtern und ihnen wäre etwa 1:2.

Die weitere Region sollte in ein Kooperationsmodell gefasst werden, das zwingend auch die nichthessischen Stadtregionen Mainz und Aschaffenburg einschließt. Das Land Hessen und der Regierungsbezirk Darmstadt könnten hierbei die Koordination übernehmen.