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Wuppertal

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Nur schweben ist schöner.
Genauso wie die Backsteinbögen der Berliner Stadtbahn sind die Stützrahmen der Schwebebahn sämtlichst von 1 bis keine Ahnung wieviel durchnumeriert, sodaß die Angabe einer Rahmen-Nummer einen eindeutigen Punkt in der Stadt definiert. Die junge Frau auf dem Bild ist heute zum Beispiel an Bogen Nr. 465 verabredet.

Einmal im Leben durch Wuppertal schweben lautete ein Werbeslogan der Stadt Wuppertal. Und so allzu viel mehr als die Schwebebahn fällt dem Auswärtigen zu Wuppertal dann auch nicht ein. Dabei ist die Stadt garnicht mal klein (400.000 Einwohner) und (neben Chemnitz) die älteste Industriestadt Deutschlands. Mit dem traurigen Dasein der Arbeiter in der frühindustriellen Periode befaßte sich auch der größte Sohn der Stadt, Friedrich Engels, der mit Karl Marx als Begründer des wissenschaftlichen Sozialismus gilt. Dies alles zu einer Zeit, als Wuppertal als solches noch garnicht bestand, denn es wurde erst 1929 durch die Zusammenlegung der großen Industriestädte Barmen und Elberfeld sowie einiger Nachbarstädte gegründet.

Wuppertal liegt etwas vergessen im sogenannten Bergischen Land, der Gegend östlich von Köln und Düsseldorf und südlich des Ruhrgebiets. Düsseldorf ist so nah, daß Wuppertal fast zu einer Art Vorort der blühenden Landeshauptstadt degeneriert ist. Trotzdem besitzt die Stadt eine besondere Art Charme. Ob Herr Erwin Lindemann deshalb, wie von Loriot angekündigt, mit dem Papst in Wuppertal eine Herrenboutique eröffnen wollte, ist mir leider nicht bekannt. Zuletzt wurde die Stadt im Film verewigt, in "Der Krieger und die Kaiserin" mit Franka Potente und Moritz Bleibtreu, der vorwiegend in einer geschlossenen psychatrischen Anstalt spielt...

Die Frau, mit der ich damals den Film im Kino sah, sagte hinterher: "Der Film war ja gut, aber hätte denn dauernd diese hypermoderne High-Tech-Bahn durchs Bild fahren müssen?". Die High-Tech-Bahn hat sich gut gehalten, denn so richtig jung ist sie eigentlich nicht mehr: begonnen 1898 und eröffnet 1903, war sie nach der Berliner Hochbahn die zweite Metro Deutschlands. Eine solche ist sie, auch wenn sie nirgendwo unter der Erde fährt, aber sie erfüllt alles, was von einem solchen Verkehrssystem erwartet wird.

Die Schwebebahn schwebt in Wirklichkeit gar nicht, weder auf einem Luftkissen, noch auf einem Magnetfeld. Sie funktioniert im Prinzip auch nicht viel anders als eine "normale" Hochbahn. Statt zwei Schienen haben ihre Gleise jeweils nur eine, und an jeder Fahrzeugachse befinden sich demnach auch nicht zwei Räder, sondern nur eins. Und anstatt auf der Achse zu stehen, hängt die Bahn unter dieser. Das war es auch schon. Der Viadukt sieht eigentlich genauso aus wie bei anderen Hochbahnen, nur ein bißchen höher, weil er ja über die Bahn hinüberreichen muß. Da die Bahn ja nur auf einer Schiene fährt, ist sie in Querrichtung statisch nicht stabil und pendelt immer mal hübsch nach links und rechts, wie Schulklassen oder Horden Fußballfans sicher öfter beweisen werden.

Die Stadt ist seltsam gebaut, sie zieht sich unglaublich lang im Tal des Flüßchens entlang, während es rechts und links desselben meistens gleich steil bergauf geht und die Bebauung bald endet. Wuppertal ist also vor allem lang, und eine solch eindimensionale Stadt braucht natürlich auch nur eine Metrolinie. Diese wurde dann auch konsequenterweise nicht nur entlang, sondern gleich direkt über der Wupper errichtet. Man kann in Barmen und Elberfeld also nicht nur über die Wupper gehen, sondern auch über ihr entlangschweben, dreizehneinhalb Kilometer lang, und das ist nur ein Teil der ganzen Ost-West-Ausdehnung dieser merkwürdigen Stadt.

Die letzten eineinhalb Kilometer, ganz im Westen in Vohwinkel, schwebt die Bahn nicht über der Wupper, sondern mitten über der Einkaufsstraße des Stadtteils. Das muß man gesehen haben, eine echt bizarre Situation.

Anders als so manche Wuppertaler behaupten ist die Schwebebahn nicht weltweit einzigartig - es gibt allein in Deutschland drei weitere Anlagen dieser Art, wenn auch natürlich nicht als Metrosystem für eine ganze Großstadt, sondern wesentlich kleiner. Fast genauso alt wie die Wuppertaler Bahn ist die ebenfalls Schwebebahn genannte Bergbahn (!) in Dresden-Loschwitz, nahe der berühmten Elbbrücke namens "Blaues Wunder". Moderner, aber dafür ganz in der Nähe sind die H-Bahn auf dem Gelände der Universität Dortmund und die gleichartige Bahn auf dem Flughafen Düsseldorf, beides automatische Bahnsysteme ohne Fahrer.


Kurz vor Landung in Oberbarmen. Der östliche Endpunkt in Oberbarmen. Die gesamte, üppige Konstruktion des Bahnhofs hängt über dem Flüßchen, ja wirklich.
Bizarre Verkehrsmittel im Doppelpack. Das andere Ende im Stadtteil Vohwinkel. Es ist schwierig, sie zusammen zu fotografieren, wenn man nicht den ganzen Tag Zeit hat, aber unten in der Mitte biegt tatsächlich gerade ein Solinger Oberleitungsomnibus um die Ecke.
Die Kaiserstraße in Vohwinkel. In dieser Straße wird im oben genannten Film Franka Potente von einem riesigen Lastwagen überfahren.

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