Michas Reich | Zuhause | Oderberger Straße

Oderberger Straße

10435 Berlin, Prenzlauer Berg

27.2.1999 - 22.6.2002

WG mit Anke und Ulrike.

Nachdem uns in der Winsstraße schon die Bauarbeiter vor den Fenstern herumliefen, fand ich nach sechswöchiger Suche dann doch endlich die bisher möglicherweise netteste Wohnung meiner Umzugskarriere. Daran schuld waren nicht zuletzt meine wunderbaren Mitwohnerinnen.

Sehr gerne wohnte ich hier in unserer wunderschönen und trotzdem preiswerten Wohnung in der schönsten Straße dieser Stadt. Sehr gerne wäre ich noch zwanzig Jahre hier geblieben, doch leider kamen auch hier irgendwann die Bauarbeiter... das kannte ich ja schon. Wenn ich heute vor dem Haus stehe, erkenne ich es nur noch anhand der Hausnummer, so hübsch und bunt und keimfrei wurde es saniert.

Auch die Straße ist nicht dieselbe geblieben, und ich würde mich hier auch nicht mehr wohlfühlen. Was einmal eine schlampige, abgebröckelte, entspannte, schöne Straße war, ist heute ein Laufsteg eitler Selbstdarsteller, die in Berlin-Mitte keine Wohnung mehr gefunden haben, in jedem Haus sind Läden, in denen unnützes Zeug verkauft wird, das die Welt nicht braucht. Schätzungsweise jeder zweite Anwohner ist Künstler, Mödeschöpfer oder Filmschaffender, oder hält sich zumindest dafür. Auch die früher so bunte und interessante Hauptstraße dieses Kiezes, die Kastanienallee, ist zur Casting-Allee degeneriert, auf der man seine neuen, hippen Täschchen oder Schühchen ausführen und das Cabrio schön sichtbar vor dem Szenecafé postieren kann.

Mal sehen, wie lange es dauert, bis es in meiner neuen Straße genauso aussieht.