2.6. Stadtkreismodelle Seitenanfang ]

(„Kreistyp“ nach Wagener)

2.6.1. Eigenschaften Seitenanfang ]

Bei dieser Lösung wird die bisher kreisfreie Kernstadt mit dem Umland zu einem scheinbar ganz normalen (allerdings sehr großen) Landkreis zusammengeschlossen. Die Kernstadt wird zu einer kreisangehörigen Gemeinde und verliert Kompetenzen, aber auch teure Pflichten (etwa die Sozialhilfe). Landkreise sind die älteste und häufigste Form des Kommunalverbands.

Landkreise sind gleichzeitig sowohl Gemeindeverbände als auch die unterste Stufe der Landesverwaltung. Sie sind u.a. zuständig für

Ziel einer solchen Stadtkreislösung wäre es allerdings, über das Verbindlichkeits- und Kooperationsniveau eines gewöhnlichen Landkreises hinauszugehen, und nach außen hin tendenziell fast wie eine große Einheitsgemeinde aufzutreten, ohne allerdings die formelle Existenz der Einzelgemeinden tatsächlich aufzugeben.

2.6.2. Vorteile Seitenanfang ]

Die in anderen Kooperationsmodellen mühsam zu erkämpfende finanzielle Solidarität ist hier in Form der Kreisumlage von vornherein geregelt. Die Gemeinden bleiben als solche bestehen. Formal ändert sich für die Umlandgemeinden zunächst wenig, da sie i. A. zuvor auch einem Landkreis angehört hatten. Auch in diesen Kreisen mussten die reichen Stadtrandgemeinden andere Kommunen, etwa im ländlichen Hinterland, über den Kreisfinanzausgleich unterstützen, eine Leistung, die nun vor allem der Kernstadt zugute kommen wird.

2.6.3. Nachteile Seitenanfang ]

Ein Nachteil dieser Lösung wäre allerdings, dass die Ebene „Landkreis“ wie oben dargestellt, im Bewusstsein der Bürger nur wenig verankert ist und sich in der Wahrnehmung Vieler gegenüber dem Status Quo nichts geändert hätte. Hier könnten öffentlich sichtbare Symbole helfen, etwa das gemeinsame Kfz-Kennzeichen, eine gemeinsame Telefon-Vorwahl oder die Bezeichnung „Stadtverband“ oder „Stadtregion“ statt „Landkreis“ auf den Ortseingangsschildern. Die weniger starke Wahrnehmung der administrativen Vereinigung kann aber auch ein Vorteil sein, da sie in einer emotional und lokalpatriotisch geführten Diskussion eher mit Akzeptanz rechnen kann als eine vermeintliche oder tatsächliche Eingemeindung.

2.6.4. Beispiel: Stadtverband Saarbrücken Seitenanfang ]

Der Stadtverband Saarbrücken entstand 1974 als Nachfolger des Landkreises Saarbrücken unter Einbeziehung der bis dahin kreisfreien Stadt Saarbrücken. Er ist ein Gemeindeverband und eine regionale Gebietskörperschaft, rechtlich gesehen ein Landkreis. Bei Gründung war der Verband ausdrücklich als Übergangsmodell zur Regionalstadt konzipiert. Dieses Ziel wurde allerdings 1988 aufgegeben.

Organe sind der direkt gewählte Stadtverbandstag, der Stadtverbandsausschuss, der Planungsrat, und der Stadtverbandspräsident.


Das Verbandsgebiet ist relativ eng geschnitten und enthält Saarbrücken und neun Vorortgemeinden mit 361.800 Einwohnern auf 410 km² Fläche.

Quelle: © Stadtverband Saarbrücken.

Der Planungsrat ist zuständig für die Flächennutzungs- und Landschaftsplanung. Der Stadtverband ist ein Planungsverband nach § 205 (6) BauGB. Mitglieder des Planungsrats sind die Bürgermeister der Mitgliedsgemeinden. Alle Gemeinden habe eine und für jeweils 40.000 Einwohner eine weitere Stimme. Die Vertreter im Planungsrat sind an die Weisungen ihres Gemeinderates gebunden. Damit verbleibt die Flächennutzungsplanung formal in der Hand der Gemeinde, denn der Stadtverband ist keine Verwaltungsgemeinschaft nach § 203 (2) BauGB. Die frühere Regelung, dass der direkt gewählte Stadtverbandstag Beschlussorgan für die Flächennutzungsplanung war, wurde 1987 vom Bundesverfassungsgericht für unzulässig erklärt. Neben der Planung ist der Verband auch zuständig für die Sozial- und Jugendhilfe, Schulen, Berufsschulen, Volkshochschulen und die Wirtschaftsförderung.

Die Kernstadt verlor ihre Kreisfreiheit, hat damit aber kostenintensive Aufgaben (Sozialhilfe, Jugendarbeit) auf den Stadtverband übertragen. Damit wird eine solidarische Finanzierung der sozialen Aufgaben erreicht. Saarbrücken behielt allerdings relativ viele Kreisaufgaben (untere Landesbehörden).

Der Verband finanziert sich zu 63% durch die Stadtverbandsumlage, mit 15% aus Landeszuweisungen und außerdem durch eigene Steuereinnahmen.

Außer dem Stadtverband bestehen im Saarland landesweite Zweckverbände für zahlreiche Aufgaben (z.B. Abfallentsorgung). Den ÖPNV betreibt ein kommunaler Zweckverband, dessen Gebiet dem des Stadtverbands entspricht.

2.6.5. Beispiel: Region Hannover Seitenanfang ]

Grundlagen Seitenanfang ]

Hannover besaß seit 1963 einen Stadt-Umland-Verband, der die Stadt Hannover sowie die Landkreise Hannover, Burgdorf und Neustadt umfasste. Mitglieder waren 200 Gemeinden und die vier Kreise. Nach einer bewegten Geschichte mit Auflösungen und Neugründungen entstand 1992 der Kommunalverband Großraum Hannover (KGH). Dieser war ein gesetzlich geschaffener Mehrzweckverband mit Pflichtaufgaben (Regionalplanung und ÖPNV) sowie freiwillig von Mitgliedern übertragenen Kompetenzen (Naherholung, Wirtschaftsförderung). Der Verband war außerdem Gesellschafter überkommunal bedeutender Einrichtungen (Zoo, Tourismusverband, Grundstücksgesellschaft u.a.).

Stadt, Landkreis und KGH entwickelten 1996 einen gemeinsamen Vorschlag zur Neuordnung der Region. In Folge dieser Diskussion entstand zum 1.11.2001 eine der bislang weitest gehenden stadtregionalen Kooperationsmodelle in der Bundesrepublik: die Region Hannover.

Region Hannover Seitenanfang ]

Das niedersächsische „Gesetz über die Region Hannover“ (GRH) vom 5.6.2001 bildet aus Stadt und Landkreis Hannover die neue „Region“ Hannover. Diese ist ihrer Rechtsnatur nach ein Landkreis. Die Institutionen der Region sind die eines Landkreises, tragen aber abweichende Bezeichnungen: der Kreistag heißt Regionalversammlung, der direkt gewählte Landrat Regionspräsident. Die Gemeinden des Landkreises bleiben erhalten. Die bisher kreisfreie Landeshauptstadt wird Mitgliedsgemeinde der Region, erhält aber durch gesetzliche Regelungen teilweise gewisse Sonderstellungen einer kreisfreien Stadt. Die Region ist Rechtsnachfolgerin des bisherigen Landkreises und des bisherigen KGH, die aufgelöst werden. Zusätzlich zum KGH erhält die „Region“ von den Gemeinden die Kompetenzen Abfallbeseitigung, Gesundheitswesen, Sozialhilfe, Jugendhilfe und Regionalstraßen. Die Schulträgerschaft geht auf die Gemeinden über. Die Region ist jedoch nicht Trägerin der Bauleitplanung.

Das 2.300 km² große Verbandsgebiet umfasst Hannover und die 20 Städte des bisherigen Landkreises mit insgesamt 1,1 Millionen Einwohnern. Die „Region“ umfasst große, eng mit Hannover verwachsene Vororte wie Garbsen, Langenhagen (Flughafen) und Laatzen (Messe) sowie Mittelzentren des 20-km-Umkreises wie Neustadt, Burgdorf, Springe und Wunstorf.

Nicht berücksichtigt ist der „2. Ring“ mit alten Städten wie Hildesheim, Nienburg, Celle, Peine, Hameln in etwa 40 km Radius, die mittlerweile zum regionalen Verflechtungsbereich gehören. Die Kooperation mit dieser Außenregion muss also auf andere Weise intensiviert werden.

Quelle: © Region Hannover.

Bewertung Seitenanfang ]

Die „Region “Hannover ist eine gebietskörperschaftliche Lösung, eine verfasste Stadtregion auf Basis eines Regionalkreises. Es handelt sich um eine weitgehende Reform, die aber, abgesehen von der Auflösung des Landkreises, wirkliche Veränderungen tradierter Verwaltungsebenen vermeidet:

Die langwierige Entstehungsgeschichte zeigt, dass eine erfolgreiche Lösung, wie sie nun in Hannover gefunden wurde, manchmal über Umwege sowie die Wiederholung Jahrzehnte alter Diskussionen gefunden werden kann.

Die Zeit zwischen 1976 und 1990 muss für die politische Einigung der Region Hannover als verloren betrachtet werden. Erst durch die Wiederaufnahme einer 20 Jahre zuvor geführten Regionalstadt-Diskussion wurde mit dem KGH eine leistungsfähige Institution geschaffen, die letztlich den mutigen Schritt einer gebietskörperschaftlichen Regionsverfassung ermöglichte.

Hannover ist außerdem ein weiterer Beweis dafür, dass funktionsfähige Lösungen für Stadtregionen nicht auf der Grundlage freiwilliger Vereinbarungen der Gemeinden entstehen, sondern ausschließlich durch Initiative des Landesgesetzgebers. Selbst in der durch Vertrauensklima und ein Jahrzehnte altes regionales Bewusstsein geprägten Stadtregion Hannover war Handeln der Landesregierung nötig — umso mehr ist es das in Regionen, die von Misstrauen und Rivalität beherrscht werden.