Michas Reich | Zuhause | Röhrstraße

Röhrstraße

O-5300 Weimar, Röhrstraße 32, 3.OG links

Januar bis Juni 1993

Die Dachfenster waren meine. Nach dem Einsturz der Unglückswohnung in der Frauentorstraße zog ich mit dieser Wohnung fast das Große Los. Es handelte sich um eine zu DDR-Zeiten ausgebaute Dachgeschoßwohnung mit einem größeren Zimmer, einem winzigen Zimmerchen, einem winzigen Flürchen, einem winzigen Bädchen und einem winzigen Küchelchen, alles unter Dachschrägen. Es gab warmes Wasser aus der Gastherme und Wärme aus einem Elektro-Nachtspeicherofen. Ich war begeistert.

Wenn man abends in der Badewanne saß und das Dachfenster aufmachte, konnte man über sich die Sterne sehen. Wenn man das Fenster offenließ, aus dem Haus ging und es anfing zu regnen, war das nicht schlimm, denn dann regnete es nur in die Badewanne. Im "großen" Wohnraum standen mitten im Raum noch die Stützbalken der Dachkonstruktion.

Das Haus stammte aus den zwanziger Jahren und war Teil einer kleinen aber noch recht städtisch wirkenden Siedlung im Norden Weimars, zwischen Altstadt und Bahnhof gelegen. Hinterm Haus war ein Garten, der von der verschworenen und meist über alles gut informierten Hausgemeinschaft, aus älteren Damen bestehend, belegt wurde.

Hier wäre ich gerne noch etwas länger geblieben. Aber die Wohnung war ja nicht meine, und als mein Hauptmieter zurückkehrte, ergab sich die Möglichkeit einer Hausbesetzung eines leerstehenden Gebäudes in der Ettersburger Straße, an die ich mich daraufhin anschloß.